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Als fester Freier Mitarbeiter eines öffentlich-rechtlichen Senders halte ich mich in Sachen Rundfunkbeitrag zurück.

Aber in Sachen nachlässigem Journalismus zuckt es in meinen Fingern.

So stolpere ich über den Text Zwangsgebühr von ARD und ZDF vor dem Verfassungsgericht des Manager Magazin. Ein tiefes Seufzen entringt sich mir, wenn ich „Zwangsgebühr“ lese, und ich frage mich, wie dieser Kampfbegriff den Weg ins ganz normale Journalistenvokabular gefunden hat. 1)

Spannender aber noch ist der Text, der vor allem auf einer Meldung der dpa beruht, und hier, unabhängig vom Thema, haben wir es wieder mit journalistischer Schlamperei von dpa zu tun, die sich schon bei der Trinkwassernummer nicht mit Ruhm bekleckert hat. Das ist alles deswegen so ärgerlich, weil dpa-Meldungen in Redaktionen als sakrosankt gelten und einfach, ohne weiteren Check, übernommen werden.

Im Text heißt es:

Einer Umfrage des Instituts YouGov vom Februar zufolge finden 44 Prozent der Befragten den Rundfunkbeitrag zu hoch – und 43 Prozent wollen ihn gar nicht mehr zahlen.

Wie immer heißt das Motto: ran an die Quelle!

Screenshot: https://yougov.de/news/2018/03/06/mehrheit-wunscht-sich-abstimmung-uber-rundfunkbeit/

Hier ist sie: Mehrheit wünscht sich Abstimmung über Rundfunkbeitrag, und dort heißt es, Anlass ist die Volksabstimmung in der Schweiz:

Auch in Deutschland wäre solch eine Abstimmung bei der Mehrheit (76 Prozent) erwünscht, wie eine aktuelle YouGov-Umfrage in Zusammenarbeit mit Statista zeigt.

Gründe für den Wunsch nach einer direkten Abstimmung haben vor allem etwas mit den Gebühren zu tun: 44 Prozent finden den Beitrag zu hoch, den sie aktuell zahlen. 43 Prozent möchten ihn sogar gar nicht mehr zahlen. Zwar findet es ein Viertel (28 Prozent) okay zu zahlen, die aktuellen Inhalte sind es ihnen jedoch nicht wert.

43 Prozent wollen keinen Rundfunkbeitrag zahlen. Naiv wie ich bin lese ich das so, dass das 43 Prozent derjenigen sind, die eine Abstimmung wünscht (76 Prozent). (Übrigens merkt man schon an der Rechnung 44+43+28 dass wir es hier auch mit einer Frage zu tun haben, die anscheinend mehrere Antworten zulässt!)

Das bedeutet: 43 Prozent von 76 Prozent wollen gar keinen Rundfunkbeitrag zahlen. Das sind dann, berechnet auf die Grundgesamtheit aller befragten, knapp 33 Prozent. Das ist zwar immer noch eine Menge, aber:

Es sind nicht die 43 Prozent der dpa-Meldung.

Damit ich nicht den Text falsch lese, den man auch falsch lesen kann, mache ich etwas Unerhörtes: ich frage die zuständige Data-Journalistin bei Yougov, ob denn meine Interpretation stimmt oder die Annahme der dpa. Yougov, und das finde ich prima, hat die Kontaktdaten direkt neben seiner Veröffentlichung. Und sie antwortet umgehend, auch das: vorbildlich! Ihre Antwort:

Genau, wir haben zunächst alle Deutschen gefragt, ob es eine Abstimmung geben sollte oder nicht.

Und dann haben wir alle befragt, die sich eine Abstimmung wünschen: „Aus welchem Grund/welchen Gründen sollte es, Ihrer Meinung nach, auch in Deutschland **eine direkte Abstimmung** darüber, ob es den Rundfunkbeitrag weiterhin geben sollte, geben? (Bitte wählen Sie alle zutreffenden Gründe aus)“

War das jetzt so schwer, dpa?

[Update] Und natürlich findet sich das Frage/Antwort-Spiel auf so vielen Seiten, und in so vielen Medien:

Screenshot: google.com

 

 

[Update 2] Und natürlich hat dpa recht:

Da nicht alle gefragt wurden, kann man auch nicht hochrechnen, wie viele insgesamt gar keinen Beitrag mehr zahlen würden, und außerdem waren ja Mehrfachantworten möglich. Danke.

 

 

1.) (Nicht ohne die Antwort zu kennen, aber das führt hier zu weit. Die FAZ arbeitet ja jetzt daran, den „Staatsfunk“ wahrheitswidrig salonfähig zu machen, also muss einen die „Zwangsgebühr“ nicht wundern, und ich verstehe langsam auch die Mechanismen, wie das AFD-Vokabular (wird man ja nochmal sagen dürfen) langsam in die Berichterstattung einsickern wird, ich warte auf die „Umvolkung“ ohne Anführungszeichen, und dann gebe ich die Hoffnung für den Journalismus auf).

 

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2 Gedanken zu „Zwangsabgabe und Studien und Umfragen und @dpa und … (Update/2 Reaktion)“

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