Über die Grunderwerbssteuer habe ich mich schon öfter aufgeregt. Zum einen, weil die meisten Bundesländer (die in diesem rühmliche Ausnahme bildet Bayern!) immer und immer wieder an der Steuerschraube drehen. Klar, hier stehen die Einnahmen alleine dem Land zu, und bei welcher anderen Steuer ist das schon so. Zuletzt hat Hamburg am 1.1.2023 an der Schraube gedreht, 5,5% beträgt die Steuer jetzt. Finanztipp hat die Übersicht:
(Um das nochmal wieder hochzuheben: in Schleswig-Holstein, Hochsteuerland, hieß es damals
Finanzministerin (Monika Heinold, Grüne): „Für private Immobilienbesitzer wird die höhere Belastung gegenwärtig durch das sehr niedrige Zinsniveau aufgefangen.“
Gegenwärtig war gestern, aber das ist ja kein Grund, die Steuer wieder zu senken.)
Warum mich das aufregt?
- Es handelt sich um eine Anti-Sozialer-Aufstiegs-Steuer, da vor allem die Ersterwerber von Wohneigentum schon struggeln, die hohen Immobilienpreise aufzubringen. Da tun dann 5 bis 6,25 Prozent schon sehr weh.
- Und natürlich ist das auch eine Anti-Mobilitäts-Steuer: wer etwa aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz wechseln will, der hat eine Sonderbelastung am Bein. Möge sich niemand über die geringe Eigentumsquote bei Wohnraum aufregen.
- Am schlimmsten: Kapitalgesellschaften zahlen diese Steuer fast nie. Es gibt die berühmten Gestaltungsmöglichkeiten. Sicher halten dazu auch Staatssekretärinnen Vorträge. Es gibt Werkzeugkästen.
- Ich fand schon immer die Besteuerung von Neubauprojekten von Bauträgern anhand der Gesamtkosten fragwürdig, nicht nur der Kosten für den Grund.
Hurra: jetzt kommt der Föderalismus
Es könnte jetzt Politiker geben, denen das unangenehm ist. Und schon schlägt der Föderalismus zu. In Hamburg wollte man auf irgendeine Weise Familien von der Steuer entlasten. „Für Eltern, die nicht älter als 45 sind, sollten nur 3,5 Prozent fällig werden.“ Posaunt der Senat raus. Das ging dann nicht, weil es keine gesetzliche Möglichkeit gab, das zu realisieren. Und entschlummerte dann wohl, nicht ohne Jammern und Wehklagen darüber, dass den Ländern leider, leider die Hände gebunden seien, wenn es um das Differenzieren bei der Steuerschuld geht.
Erstaunlicherweise machte Christian Lindner dann den Ländern, also auch Hamburg, das Tor auf:
Die Reform soll es den Ländern erlauben, den privaten Immobilienerwerb zur Selbstnutzung besserzustellen – bis hin zur Steuerbefreiung. Hohe Baukosten und Zinsen machten es Familien inzwischen »fast unmöglich, Eigentum zu erwerben«, twitterte Lindner. »Wir sollten den Ländern deshalb die gesetzliche Möglichkeit eröffnen, bei selbst genutzten Immobilien auf die Grunderwerbsteuer zu verzichten.« Der aktuelle Diskussionsentwurf sieht laut der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« einen großen Spielraum der Länder beim privaten Kauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung vor. Einzige Bedingung wäre, dass sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt würden. Demnach könnten die Länder unter anderem einen ermäßigten Steuersatz bis hin zu einem Steuerverzicht anbieten.
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/grunderwerbsteuer-bund-und-laender-pruefen-verzicht-fuer-private-immobilienkaeufe-a-b614c41d-e2a2-4157-bbda-b10cf251fbb7
Auch den Shared Deals soll es an den Kragen gehen, der Steuervermeidung durch Unternehmen.
Und was sagt Hamburg dazu?
Der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) übte an dem Entwurf scharfe Kritik. Dressel sagte dem SPIEGEL, er sei zwar »sehr für eine Öffnungsklausel«, etwa wenn eine Familie sich zum ersten Mal ein selbst genutztes Eigenheim kaufe. Es gebe im Koalitionsvertrag aber »eine klare Maßgabe«, dass derartige Steuerausfälle gegenfinanziert werden müssten.Dieses Ziel werde mit dem Entwurf verfehlt. »Ich habe vergiftete Geschenke aus dem Finanzministerium satt«, so Dressel.
ebd.
Das absurde daran ist ja, dass kein Land gezwungen würde, diese Differenzierung zu machen. Aber ja, der Druck auf die Länderregierungen würde steigen. Denn dann müssten sie erklären, warum sie keine Differenzierung vornehmen wollen. Man kann dann nicht krokodilstränig auf andere zeigen.
Ich persönlich habe diese Heuchelei so satt.
Hurra, Hessen
Ich wohne ja in Hessen. Da gibt es jetzt eine CDU/SPD-Regierung. Die scheint das Problem zu sehen, aber warum eine einfache Lösung wenn es auch kompliziert geht. (Das ist das grundlegende Motto deutscher Politik und Bürokratie) Hier heißt das Ganze: Hessengeld. Zur Entlastung bei den Hausnebenkosten, sagen wir mal, die Grunderwerbssteuer in Hessen ist mit 6 Prozent ja gut dabei!
Das gibt es
- für den erstmaligen Kauf einer selbstgenuzten Immobilie
- in Höhe von 10.000 Euro für bis zu zwei Käufer und 5.000 Euro pro Kind. Begrenzt auf die Höhe der gezahlten Grunderwerbssteuer.
- Es gilt ab 1.3.2024 rückwirkend, Anträge können aber frühestens ab Herbst gestellt werden (digitale Verwaltung …)
- Das Geld wird verteilt über 10 Jahre ausgezahlt.
Das ist mal wieder herrlich einzelfallgerecht, föderal mit niemandem abgesprochen und mit einem ordentlichen Verwaltungsaufwand verbunden. Und die Betroffenen dürfen weiterhin erstmal die Gesamtsumme finanziert bekommen, weil die Förderung ja auf 10 Jahre gestreckt wird, die Grunderwerbssteuer muss also weiter verzinst finanziert werden. Ja, danke dafür.
Das lustige: das gilt nur für Immobilienerwerbe in Hessen, aber was ist, wenn man woanders schonmal ein Haus gekauft hat?
Wenn Sie bereits eine Immobilie besitzen oder besessen haben, können Sie leider nicht vom Hessengeld profitieren. Warum? Ziel des Hessengeldes ist bewusst, Menschen beim erstmaligen Kauf einer Immobilie zur eigenen Nutzung zu unterstützen, da dies für viele eine besondere Kraftanstrengung bedeutet
https://finanzen.hessen.de/initiativen/hessengeld
Das, so spoilere ich mal, wird sich nicht kontrollieren lassen.
Ich liebe den Föderalismus. Er muss einfach alles komplizierter machen.
Der Widerstand gegen die Neufassung der rechtlichen Möglichkeiten der Grundsteuer-Erhebung stammt wohl eher von den Lobbyisten der Kapitalgesellschaften, die alles so lassen wollen, wie es ist.
Illustration: KI/Midjourney