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Sind junge Journalisten eher links? Ist der journalistische Nachwuchs gar „linksgrünversifft“? Gibt es im öffentlich-rechtlichen einen Bias, der konservative, bürgerliche Stimmen ausblendet? Ist dieser Nachwuchs „divers“?

Dazu gibt es, sagen wir, so etwas wie eine Umfrage unter den ARD-Volontären, Journalist:innen in Ausbildung. Drei von ihnen haben 150 von ihnen befragt, 86 haben an der Umfrage teilgenommen, aber nicht jede:r hat alle Fragen beantwortet.

Großartig wird das Ganze als „Datenprojekt“ verkauft, journalist.de (Fachzeitschrift des djv) ist stolz wie bolle „Der Journalist stellt die Ergebnisse exklusiv vor“ heißt es da:

https://www.journalist.de/startseite/detail/article/wie-divers-ist-der-ard-nachwuchs

Man druckst ein bisschen herum, aber irgendwann nennt man das Ganze dann doch mal Studie

ebd.
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Gegenstand einer erregten Debatte durch etwa die WELT ist nur ein kleiner Teil des „Datenprojekts“, nämlich die Antworten auf die Frage, welche Partei man den bei einer Bundestagswahl am kommenden Sonntag wählen würde:

Wenn bei der nächsten Bundestagswahl nur die öffentlich-rechtlichen Volontär*innen wählen könnten, würden sich die Machtverhältnisse deutlich verschieben: Die Grünen könnten alleine regieren, auf die Linke würde knapp ein Viertel der Stimmen entfallen. Die SPD würde als drittstärkste Partei im Bundestag sitzen, während die CDU nicht einmal über die Fünf-Prozent-Hürde käme.

ebd.

Im Prinzip hat Boris Rosenkranz bei Übermedien schon das meiste dazu geschrieben, vor allem über die Stichprobengröße und die Rezeption dieses kleinen Ausschnitts der Befragung…

Das  steht auch so im „Journalist“, zu Beginn des Textes und unter der Wahl-Grafik, aber sowas geht auf Twitter natürlich unter. Zumal über der „Journalist“-Grafik von allen ARD-Volontär*innen die Rede ist. Dabei antworteten auf die Wahl-Frage sogar nur 77 der 86 Teilnehmer*innen – während der Saarländische Rundfunk und des ZDF gar nicht mit drin sind, da sie zum Zeitpunkt der Umfrage keinen Volo-Jahrgang gehabt hätten.

https://uebermedien.de/54539/wie-links-ist-der-ard-nachwuchs-viel-laerm-um-ein-datenprojekt/

Die Initiatoren der Umfrage und „Der Journalist“ fühlen sich jetzt auf einmal irgendwie falsch verstanden:

Tja, Pech, was? Dabei sollten Journalisten wissen, dass Journalisten aus mehreren Ergebnissen einer „Analyse“ oder von mir aus auch „Studie“ nur die herauspicken, die sie für spannend halten. Ganz ehrlich, das ist journalistisches Handwerk. Die meisten anderen Ergebnisse des „Datenprojekts“ sind ja eher so gähn: etwas mehr Frauen als Männer, mehr Stadtkinder als Landkinder, und, oh Gott, fast alle haben studiert. Was kein Wunder ist, wenn ein abgeschlossenes Studium einfach bei den meisten journalistischen Arbeitgebern Einstellungsvoraussetzung ist. Matthias Daniel will in seinem Kommentar auf das „interresante Ergebnis“ verweisen, dass die Hälfte aller Volos aus dem Sendebereich ihrer ARD-Anstalt kommen. Was, um Himmels Willen, ist daran spannend? Abgesehen davon, dass in diesem Internet jede/r zum Sendebereich aller ARD-Anstalten gehören. Interessant ist kein echtes journalistisches Kriterium, „erhellend“, „aufklärend“, Zusammenhänge sichtbar machend“, das wäre was.

Was mich erstaunt ist das Erstaunen der Macher und Publizierer des „Datenprojekts“ über das Ergebnis, und auch, wie „exklusiv“ man sich finden kann, wenn man eine Analyse auf so schwacher Datenbasis als großartige Leistung veröffentlicht.

Es sind halt die journalistischen Reflexe: wenn jemand „Studie“ auf etwas schreibt, dann sind die Eintrittsbarrieren ins Nachrichtengeschäft nur gering.

Man bläst dann selbst die Relevanz dieser Geschichte auf, etwa mit Sätzen wie

Minneapolis im Mai 2020. Der Afroamerikaner George Floyd wird bei einer brutalen Festnahme getötet. Im deutschen Journalismus löst das erst eine Debatte über Rassismus aus – und dann eine über Vielfalt. Denn in vielen Talkshows und Magazinen kommen zunächst nur weiße Expertinnen zu Wort. Ein Grund: In den meisten Redaktionen sitzen kaum Menschen mit Migrationshintergrund. Der Verein Neue Deutsche Medienmacherinnen, der sich für mehr Vielfalt in den Redaktionen einsetzt, geht von fünf Prozent aus.

https://www.journalist.de/startseite/detail/article/wie-divers-ist-der-ard-nachwuchs

Wow, jetzt gibt uns die brachiale Zahl von 86 Antworten bei einem „Datenprojekt“ Hinweise auf den richtigen oder nicht richtigen Umgang mit BLM und die zukünftige Entwicklung des Journalismus?

Nein.

Es zeigen sich die journalistischen Umfragereflexe, die selbst dann greifen, wenn Journalismus der Gegenstand einer „Studie“ ist. Hat sich niemand mal zurückgelehnt und gesagt: das ist aber dünn?

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