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Kinder, Schule in Nachbarort, Straßenbahn. Soweit, so einfach. Dass die Bahn jeden Morgen komplett überfüllt wird, da Schüler für zwei Schulen gefahren werden und das Gedränge mörderisch ist – ein anderes Thema.

Aber da ist vor allem der Spaß mit den Monatskarten. Die sind jetzt ja elektronisch, was die Verkaufsstelle in einem Schreibwarenladen chronisch unter Stress setzt, denn der Rechner dort ist langsam, und die Software zum Aufladen der Karte anscheinend so besch… programmiert, dass der kleinste Fehler im endlosen Klickmarathon auf dem Weg zum Ziel, zum Abbruch, Fluchen und Neuanfang führt.

Nachdem ich versucht habe herauszufinden, ob man das nicht auch „easy“ über das Internet machen könnte (Zeitfahrschein auf Elektronischem Ticket, das kann doch nicht so schwer sein), habe ich noch mehr Mitleid mit den Mitarbeitern vor Ort.

Vorweg: die Tarife, die Tarifbezeichnungen, die Regeln für Tarifzonen und andere Einschränkungen, sind so kackkompliziert dass die Webseiten selbst niemals aktuell sein können. Schöne Übersichtsseite: Alle Fahrkarten im Überblick, der RMV spricht gar vom Fahrkartensortiment. Das Problem: immer wenn ein Tarifplaner oder Marketingfuzzi eine neue Idee hat, müssten eigentlich dutzende bis hunderte Webseiten geändert werden – weil schlicht und ergreifend auf zu vielen Seiten verteilt Dinge angesprochen werden. Als Beispiel könnte man den Begriff „Clevercard“ nehmen: das Angebot gibt es nicht mehr. In schönstem Beamtendeutsch:

Alle CleverCards kreisweit und das MobiTick wurden zu Beginn des Schuljahrs 2017/2018 abgelöst durch das Schülerticket Hessen. Vorhandene CleverCards behalten ihre Gültigkeit bis maximal zum 30. Juni 2018.
Die CleverCard wird zukünftig nur noch für Mainz (Tarifgebiet 6500) angeboten sowie für Fahrten in bestimmte Übergangräume (siehe „Tarifdetails“). Für andere Relationen kann das Schülerticket Hessen genutzt werden.

Übersetzt: die Clevercard gibt es nicht mehr, jedenfalls fast. Was es noch gibt, das sind Unmengen an Seiten, die auf die Clevercard, die man nicht mehr kaufen kann, verweisen.

Das gilt etwa für die Seite, auf der ich mit meiner eigentlichen Problemstellung lande,

eTicket RheinMain – Ihr Medium für den Zeitkartenkauf der Zukunft

Ich lass das mal so groß stehen. Dass unter „Welche Karten gibt es für das eTicket RheinMain“ immer noch die „Clevercard“ steht – q.e.d.

Der Auftakt ist ersteinmal verheißungsvoll (Aufgabe: Schülermonatsticket aufladen ohne im Schreibwarenladen zu verzweifeln). Es gibt die

auch als eTicket.

Als schwups auf die og tolle Seite mit dem großen „Zeitkartenkauf der Zukunft“-Versprechen:

 

Losgehts. Denkst Du. Denn das Versprechen heißt:

Yippie. Also ab in den Ticket Shop

Hier muss man mal versuchen, den nächsten Gültigkeitstag zu erwischen. Trotz elektronischem Brimborium kann man nicht den nächsten Tag anwählen, nur den übernächsten. Gut bezahlen will Weile haben, so ist sie halt, diese schöne neue Computerwelt. Langsam.

Fast am Ziel. Monatskarte Auszubildende. Gleich haben wir es geschafft.

Lapidar: die gewählte Fahrkarte ist nicht auf eine Chipkarte speicherbar. Das ist nämlich ein Naturgesetz. Die Zukunft des Zeitkartenkaufs endet hier. Brachial, abrupt, aber dann doch einfach auch wieder vorhersehbar.

Um das Thema angemessen zu weiten: die öffentliche Personennahverkehr in Deutschland ist im Eimer. Die Betreiber sehen aus wie kommerzielle, gemeinhin privat genannte Unternehmen, aber es sind nach wie vor überbürokratisierte Monster, die nichts anderes können als intransparente Tarifsysteme, unzulängliche Fahrpläne und, um es in einem Wort zu sagen, Murks. Wie will man eine vernünftige Verkehrswende so hinbekommen, zukunftsfähige Lösungen für weniger CO2? Meine Kinder werden jetzt schon darauf gepolt, den öffentlichen Nahverkehr zu hassen. So schnell wie möglich mit eigenem Führerschein und Auto dem Gedränge in der Bahn und dem Tarifwahnsinn zu entkommen. Jeder Bürger, dem geraten wird, öfter mal den eigenen Wagen stehen zu lassen und ökologisch sinnvoll öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, kann sich nur gegängelt vorkommen (was ein Problem für die Grünen und die Umwelt ist). Weil dieses System gängelt.

Was haben wir gerne in London das Verkehrsnetz genutzt. Mit der Oystercard, die altersspezifisch abrechnet was wirklich gefahren wird, und, ohne dass man darüber nachdenken muss, den günstigsten Tarif auswählt: ist der Preis für ein Tagesticket erreicht, kosten weitere Fahrten nichts mehr. Das könnte man auch mit Wochentickets und Monatstickets. Dann noch eine Steuerung mit verbilligten „Off-Peak“-Tickets und Belohnungen dafür, statt einer überlasteten Strecke mal einen Umweg zu fahren. In Deutschland kann man davon nur träumen, und jeder entsprechenden Ankündigung nur mit dem größten Misstrauen entgegensehen – weil man ja weiß, dass es diese Megaorganisationen wie der RMV eine ist, nicht gebacken bekommen. Nicht auch nur annähernd.

 

Ein Gedanke zu „Öffentlicher Nahverkehr: zum Scheitern verurteilt dank @rmvdialog“

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