Photo by Patrick Brinksma on Unsplash

In vier fast einstündigen Episoden erzählen vor allem die „Überlebenden“, wie sie genannt werden, vom Missbrauch durch Jeffrey Epstein. Vom Schneeballsystem der Mädchenzufuhr, vom Ausnutzen von Schwäche und Armut und dem anscheinend nicht zu sättigenden Hunger nach jungen Mädchen.

Dabei schaffen es die vier Episoden, vor allem das dramaturgische Element der Steigerung vorzulegen, ausgehend von einem Fall in New York, dann die Geschehnisse in Palm Beach bis hin zur Insel des pädophilen Milliardärs. Mit dem skandalösen ersten Verfahren gegen ihn, das so elegant beigelegt wurde, auch von Alan Dershowitz, der sich immerhin vor die Kamera begibt und seine Sicht der Dinge schildert. Die anderen, etwa Ghislaine Maxwell, äußern sich lieber nicht.

Beleuchtet wird auch der Aufstieg von Epstein, seine früh zu Tage tretende Neigung zu Hochstapelei und Betrug. Allein diese Geschichte wäre schon genug für einen Film, bis hin zu dem Phänomen, dass es ihm wohl gelang, einen super-reichen Kunden so auszunehmen, dass er selbst super reich wurde.

Es geht dann auch um persönliche Kontakte, Charity, Sponsoring, bezahlte Professoren. Eine insgesamt dramatische Mischung.

Aber im Zentrum der vier Teile stehen, und das machen die Filme vollkommen richtig, die Opfer – nicht der Täter. Sie bekommen weiten Raum, ihre Geschichten zu erzählen. Sie sind nicht nur Staffage um sich Epstein zu nähern, sie sind die Protagonisten. Anwälte, Ermittler, Journalisten werden zu Randfiguren, und das ist gut so.

Durch die reine O-Ton-Erzählweise geht dann ab Folge drei etwas der Faden verloren, die Verästelungen werden nicht mehr hundertprozentig nachvollziehbar. In den ersten beiden Folgen nerven irgendwann die ewig gleichen Bilder der abgefilmten Villa in Palm Beach, ich kann aber verstehen, dass es trotz einer Menge Archivmaterial zu wenig Bilder aus dieser Zeit gab. Die Filme versuchen, meist gelungen, die Zeitsprünge in der Erzählung grafisch zu vermitteln. Aber alleine das Verhör von 2012, das immer wieder auftaucht, wird selten erklärt: unter welchen Umständen kam es zu Stande? So vielsagend die Aussagen auch sind: manchmal stehen sie alleine für sich.

Dennoch: eine überwiegend gelungene, eindrucksvolle Dokureihe. Wer, wie hier bei DWDL, den Filmen vorwirft, dass man selbst eine andere Erwartungshaltung hatte, dem fehlt das Handwerkszeug zu einer Kritik: die Filme halten, was sie versprechen. Sie haben nie behauptet, weitere Kreise aufzudecken und das Netzwerk zu „enttarnen“. Und wer schreibt

„Jeffrey Epstein: Stinkreich“ ist keine gute Dokumentation, sondern ein Gafferparadies. Es sind 226 Minuten, in denen der Zuschauer Teil eines Autounfalls sein kann, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Epstein wurde verurteilt und auch ich halte ihn für ein Monster. Doch die journalistische Herangehensweise ist es, die Fragen aufwirft und ein ungutes Gefühl hinterlässt. Netflix hat es sich hier deutlich zu einfach gemacht. 

ebd.

hat wenig Ahnung von Dokus. Macht auch nix, Kevin Hennings liegt auch mit seinen anderen Rezensionen häufig daneben, wenn er vor allem neue Werke mit früheren derselben Teams oder anderen Serien aus dem selben Genre vergleicht. Es fehlt das Handwerkszeug zur Kritik.

Stinkreich lässt die Opfer reden, führt sie aber nicht vor. Den Kritiker interessieren die Opfer nicht, er will wissen, wie Epstein starb, und ob nicht prominente weitere Täter geschützt werden sollen. Die „Überlebenden“ sind ihm in dieser Sicht egal. Wie den meisten Artikeln über den Fall. Was bedeutet es schon, wenn im ersten Epstein-Prozess die Minderjährigen zu „Prostituierten“ erklärt wurden?

Sehtipp.

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