Spoileralarm: Die Rettung der Welt durch einen Umbau der Mobilität wird eher nicht gelingen, wenn Finanzminister und Verkehrsminister der FDP angehören. Schlimmer wäre nur noch die Kombi Finanzminister CDU und Verkehrsminister CSU. Das zeigt langjährige Erfahrung.
Denn die FDP hat sich tief in irrsinnigen Freiheitsvorstellungen vergraben, in denen „Tempo 130 auf Autobahnen“ gleichbedeutend sind mit Foltercamps, Gefangenenlagern, Gulag, Lebenslänglich. Tatsächlich scheint zu gelten: wenn die FDP auch sonst für gar nix steht, dann wenigstens für „freie Fahrt“. Für entsprechend PS-geladene Bürger. Mit Rationalität hat das natürlich nichts zu tun, vielleicht aber mit den durch zwei miserabel gelaufene Landtagswahlen wieder wachsenden Zweifeln, ob irgendwer diese Partei denn braucht. (SH -5,1 PP, NRW: -6,7 PP)
Irrational kann aber auch die „Auto abschaffen“-Fraktion. In Sozialen Netzwerken naturgegeben sehr laut, wenn urbane Mittzwanziger kurz vor oder nach dem Uni-Abschluss gerne Maximalforderungen in die Welt tröten. Und das, wie so oft, ohne jede Chance irgendeine Art von politischer Mehrheit in unserem demokratischen System zu bekommen, und dann wird sofort die „Notstandskeule“ des gerne auch „militanten zivilen Widerstands“ ausgepackt.
Man wird es müde. Ich werde es müde.
Damit aber keiner hier traurig und frustriert aufhört zu lesen, zwei Überlegungen konstruktiver Natur:
Mobilität ja, Exzesse nein
Es ist wahr: die deutsche Steuerpraxis befördert eine Art von Automobilität, die an Sinnlosigkeit, Ressourcenverschwendung und CO2-Produktion kaum zu überbieten ist. Wichtig zu wissen: bei den KFZ-Zulassungen entfallen rund 34 Prozent auf private Halter, 66 Prozent auf gewerbliche Halter. Kfz-Handel, Kfz-Hersteller, Importeure, Autovermieter, sonst. Dienstleister und sonst. Gewerbe, also Firmenfuhrparks. (Quelle)
Egal wie teuer, groß, schwer, übermotorisiert ein Fahrzeug ist: Unternehmen können die kompletten Kosten steuerlich als Ausgaben geltend machen. Ein Prozent des Listenpreises zahlt der Mitarbeiter für eine private Nutzung pro Jahr, dafür übernimmt der Arbeitgeber auch gerne die kompletten Kosten für Treibstoff. Wird geleast, dann werden die kompletten Leasingkosten ansetzbar. Dass das Dienstwagenprivileg auch teure, große, schwere, übermotorisierte Fahzeuge in den Gebrauchtwagenmarkt drückt: logische Folge.
Damit muss Schluss sein. Immer unter dem Aspekt: Auto-Mobilität muss möglich sein – aber nicht um jeden Preis.
Individualempirie: ich bin vor drei Jahren von gebrauchten Golf Kombis auf einen Fabia Kombi (Diesel) umgestiegen. Für 99 Prozent meiner Mobilitätsbedürfnisse (bei 20-25T km im Jahr) „überraschenderweise“: vollkommen ausreichend. Treibstoffverbrauch: statt ca. acht Liter Benzin, jetzt 4,2 Liter Diesel. Selbst wenn man dessen höheren CO2-Ausstoß berücksichtig: ein Gewinn. Für die Umwelt. (Aber auch für meinen Geldbeutel: viel günstigere Reifen, Inspektionen, Ersatzteile). Warum war ich jahrelang der festen Meinung, unbedingt einen Golf Kombi fahren zu müssen? Ja, an zwei Wochen im Jahr könnte ich die Ladefläche gut gebrauchen. Aber dafür gibt es Lösungen.
Zurück zum Thema: die unbegrenzte Abzugsfähigkeit von Mobilität bei Unternehmen muss enden. Die Steuerbelastung für CO2-Schleudern muss sehr viel stärker progressiv steigen. Und zwar nicht an der Tankstelle: Benzin und Diesel sind bereits hoch steuerbelastet. Für die „einfache“ Mobilität mit Kleinwagen muss sichergestellt werden, dass sie erschwinglich bleibt. Für Luxusmobilität ab 150 PS müssen realistische Preise aufgerufen werden. Also: Deckelung der Ansetzbarkeit als Betriebsausgaben.
Durchsetzungschance: siehe oben. Also schlecht.
Trick 17
Um etwas origineller zu werden: ich plädiere für eine Erhöhung der KFZ-Steuer pauschal für alle um 250 Euro, dafür bekommt der Halter eines Fahrzeugs eine Bahncard 50 für sich und bis zu drei Mitfahrer auf dem selben Ticket. Die Einnahmen gehen direkt an die Bahn. Ob der Zahlende die Karte nutzt oder auch nicht: sein Problem.
Das 9-Euro-Ticket zeigt: die Neigung „Ich will dann auch was für mein Geld haben“ ist groß. Die Versuchung, dann halt mal eine Bahnreise zu buchen, wenn man schon „Rabatt“ bekommt, ist groß. Am Ende, wenn es die Bahn denn schaffen würde, pünktlicher und schneller zu werden, stellt der eine oder die andere Fest, dass sich viele Fahrten ersetzen lassen.
Dazu müsste das Geld aber vollständig und sinnvoll investiert werden, in fahrendes Material, Instandhaltung, Personal, Streckenausbau und Umbau. Internationale Verbindungen. Komfort und Information.
Auf dem Weg dahin müssen Super/Sparpreise dahin kommen, dass sie nur mit Reservierung verkauft werden um die Belastung steuern zu können – überfüllte Züge lassen einen den Stau wieder lieben.
Für alle online gebuchten und bezahlten Tickets muss gelten: die Erstattung wegen Verspätung muss nicht mehr beantragt werden, sie erfolgt automatisch. Wird der Bahn sehr weh tun, wenn sie nicht pünktlicher wird. Fehlende Speisewagen: Fünf Euro Gutschrift. Umgekehrte Zugreihenfolge: 2,50 Euro Gutschrift.
Während die Streckensanierung bei Autobahnen und Bahn höchste finanzielle Priorität haben müssen, muss der Ausbau von Straßen zu einem Ende kommen – es bringt auch nix. Wo man zuvor zweispurig im Stau stand sind es irgendwann dann halt drei Spuren.
Nebenforderungen: Der Bahnvorstand muss gefeuert werden. Wer die zwei Pandemiejahre nicht genutzt hat, sich für die Rückkehr der Kunden aufzustellen, hat versagt. Raus mit den unterqualifizierten, überbezahlten Managern. Keine Gewinnzahlungen mehr an den Bund.
Und auf journalistischer Seite: keine 9 Euro-Reportagen mehr sondern Bahnspezialisten in allen Redaktionen. Das wär mal was.
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