An der Berichterstattung und der Aufregung über Amazon scheine ich mich ja abzuarbeiten. Keine Panik: ich habe noch kein einziges E-Book dort verkauft. Und das mit dem Affiliate-Link sollte ich auch mal streichen. Aber jetzt geht es um die Buchhändler, die Verlage und das fortgesetzte Jammern, wie schlimm Amazon doch. sei.

Dabei trifft einen Konzern, der auch Verlage hat, eine ganz bedeutende Rolle bei der Geschichte: Bertelsmann. Anfang der Nullerjahre hatten es die Gütersloher in der Hand, einen eigenen Online-Buchvertrieb aufzubauen. Und haben es dann grandios versemmelt. Aus vor allem zwei Gründen.

Der erste: das Festhalten an Althergebrachtem. Nämlich dem Bertelsmann-Buchclub. Was für eine tolle Geschäftsidee, im Buchpreisbindungsdeutschland eine Kette mit vierteljärhlicher Kaufverpflichtung zu etablieren, die Hardcover etwas billiger auf den Markt brachte, in der „Buchclubausgabe“. Das war jahrzehntelang super erfolgreich, und warum sollte das nicht so bleiben? (Rhetorische Frage: die Zeiten ändern sich)

Also legte man 2001 die langsam im Aufbau befindliche Buchhandelsplattform bol.de mit dem Buchclub zusammen. Die FAZ schreibt dann auch noch treudoof neudeutsch „Bertelsmann setzt voll auf Community„:

Club-Mitgliedern soll BOL.com künftig als erweiterter Service auf der jeweiligen Club-Seite zur Verfügung stehen. Dadurch können sie zusätzlich zu dem beschränkten Clubangebot aus allen frei im Handel erhältlichen Medienprodukte bestellen. BOL-Kunden hingegen sollen automatisch auf die Sonderangebote im Club hingewiesen werden.

Ja, Hammeridee.

Schon Jahre zuvor was aus dem Clubdings ein Verlustbringer geworden. Aber jetzt wird alles besser. Auch, weil man sich ganz klar von der amerikanischen Nervensäge absetzen will:

„Statt neben CDs und Büchern auch Gartenstühle, Holzkohlegrills, Diätpillen und Autos anzubieten, hat sich BOL.com erfolgreich auf den Verkauf von Medienprodukten wie Musik und Bücher konzentriert und sich damit nicht nur wirtschaftlich erfolgreich vom Gemischtladen-Konzept der Wettbewerber abgesetzt“, sagte Andreas Schmidt, CEO der Bertelsmann eCommerce Group, unter Anspielung auf den Konkurrenten Amazon.com.

Wenn man das heute, im Jahr 2014 liest, dann muss man doch mindestens mal ein bisschen schmunzeln.

Und was war nochmal der zweite Grund? Ungeduld und Gier. „Online Buchhandel bringt Verluste“ ist nämlich die Begründung in der WELT. Und das Handelsblatt liefert auch ein bisschen Hintergrund:

Branchenkenner vermuteten hinter der Zusammenführung den ab 2004 möglichen Börsengang von Bertelsmann. (…) Für einen Erfolg des Börsenganges muss BOL.com bis dahin die Gewinnzone erreicht haben. Bertelsmann hatte BOL ursprünglich selbst bereits im Frühjahr vergangenen Jahres an die Börse bringen wollen. Der Termin war aber dann auf unbestimmte Zeit verschoben worden.

Gier, Geld, Börsengang, Neuer Markt, Neuemissionen, Provisionen, was war das eine schöne, da aber schon zuende gehende New Economy – Zeit.

Kurz gerafft: man will nicht übertrieben investieren und bindet zwei Fußlahme aneinander. Der Rest ist Geschichte. (bol.de ist heute Teil des Konkurrenten buch.de)

Zu diesem Zeitpunkt wurde die Chance versemmelt, ein deutsches Pendant zu Amazon aufzubauen. Und zwar: unter Schmerzen. Denn die Amazon-Strategie ist einfach tödlich, schreibt heise/Technology Review:

Gründer und CEO Jeff Bezos ist an kurzfristigen Gewinnen nicht interessiert, wie Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 01/2014 berichtet . Als er einmal darauf angesprochen wurde, dass Amazon nur für einen kurzen Zeitraum im Jahre 1995 profitabel war, frotzelte er, das sei „wahrscheinlich ein Fehler“ gewesen. Seine Strategie: Amazon schaufelt permanent Geld zurück in sein Geschäft.

Dass sich das irgendwann mal auszahlen muss, ist klar. Dass man gegen eine solche Einstellung nur schwer ankommt auch. Aber was jammern nicht immer alle Manager, die vom Quartalsdenken, dem Druck der Börse usw. usf. reden: Amazon hält den Druck aus. Und Bertelsmann hätte das auch ausgehalten.

Langer Atem, das wäre nötig gewesen, jetzt ist der Drops einigermaßen gelutscht. Möge man sich daran gewöhnen.