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Nach der Pleite von Thomas Cook ist die allgemeine Berichterstattung wieder zur Tagesordnung übergegangen, irgendwas ist ja immer. Brexit, Trump, AFD, Merz, ach, die Liste lässt sich fortsetzen.

So ergeht es Themen, die direkt mit der Lebenswelt von Verbrauchern zu tun haben, gerne. In „normalen“ verrückten Zeiten fällt das unter Gedöns, und das ist den zuständigen Fachministern sicher recht.

Immerhin packt der Finanztipp einen Ratschlag für Kunden aus, die per Kreditkarte gebucht haben:

Bei der Insolvenz von Air Berlin oder Niki machten viele Verbraucher gute Erfahrungen mit dem sogenannten Chargeback. Sie konnten über das Kreditkartenunternehmen die Zahlungen für ausgefallene Flüge zurückbuchen lassen.
Bei Pauschalreisen geht das nicht ohne Weiteres. 

https://www.finanztip.de/blog/ihre-fragen-zur-pleite-von-thomas-cook/

Das ist aber nur eine Krücke, denn eigentlich sollte der Reisesicherungsschein zusammen mit einer Versicherung den Pauschalreisekunden, der teilweise sehr weit vor Reiseantritt schon Geld bezahlen muss, vor Ausfällen im Insolvenzfall schützen.

Aber schon bei der Umsetzung der 1990 von der EU-Komissionen erlassenen Richtlinie schlampte die damals schwarz-gelbe Bundesregierung, ließ Fristen verstreichen und musste daher nach der Pleite von MP Travel Line 1993 Kunden entschädigen.

Die Bundesregierung muß mehrere tausend Opfer des früheren Reiseveranstalters MP Travel Line und anderer 1993 pleite gegangener Touristikunternehmen finanziell entschädigen. Das hat gestern der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Zur Begründung führten die Richter die verspätete Umsetzung der europäischen Pauschalreiserichtlinie in Deutschland an. Mit dem Reiseurteil hat nach Angaben aus Brüssel erstmals ein europäisches Gericht einen EU-Staat wegen der zögerlichen Umsetzung von EU-Richtlinien in die Pflicht genommen.

https://www.welt.de/print-welt/article656514/EuGH-Bund-muss-Konkurs-Opfer-entschaedigen.html

Erst 1994 wurde die Richtline von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) umgesetzt, dabei aber die Haftungssumme auf 110 Millionen Euro beschränkt. Schön, vor allem für große Touristik-Konzerne: das hält die Prämien niedrig, während kleine Anbieter ja im Zweifel ihr komplettes Risiko besichern müssen.

2016 hätte es die Chance gegeben, die Richtlinie zu renovieren, der Kommentar der SZ „Pauschalreisende brauchen endlich ein richtiges Schutzsystem“ macht klar:

2016 drängte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die Bundesregierung, „das bewährte und praxistaugliche deutsche Insolvenzsicherungssystem“ beizubehalten. Und weiter: „Auch die Beibehaltung der Haftungshöchstgrenze von 110 Millionen Euro pro Jahr und Versicherer ist im Hinblick auf die Versicherbarkeit des Risikos zu begrüßen.“ Die Reiseveranstalter traten ebenfalls für eine Fortschreibung ein.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/pleite-von-thomas-cook-pauschalreisende-brauchen-endlich-ein-richtiges-schutzsystem-1.4658951

Der wunderbare Heiko Maas (SPD) war „Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz“. Oder so.

Und jetzt ducken sich wieder alle weg, keiner will es gewesen sein, und die Medien lassen die Verantwortlichen davon kommen. Wir reden hier von hunderttausenden Betroffenen – 600.000 in Europa insgesamt, Die britischen Kunden können zumindest finanziell zufrieden sein, sie bekommen aus einem Sicherungsfonds ihr Geld zurück – die Briten profitieren ironischerweise von der adäquaten Umsetzung einer EU-Richtlinie.

Auch die Zurich-Versicherung kommt gerade gut weg – sie nimmt zwar die Ansprüche entgegen, entscheidet aber nicht, wie sie vorgehen wird.

Politikverdrossenheit ist ein großes Wort. Verbraucherrechte wären ein gutes Argument für Politiker und für die Existenzberechtigung der EU. In Deutschland torpediert man das lieber, weil nette Versicherungswirtschafts- und Tourismuslobbyisten ihren allseits gepriesenen „Sachverstand“ in die Exekutive tragen.

Die Medien müssen dranbleiben.

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