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Wagenknecht, Dagdelen, Hunko und wie sie alle noch so heißen: immer wenn sie über die Ukraine reden schwingt die Russlandversteher-Attitüde nicht nur mit, sie wird demonstrativ nach vorne gestellt. Und Falschbehauptungen, dass sich die Balken biegen. Etwa (Dagdelen) dass Kriege nie ohne Verhandlungen beendet wurden. Naja, WWII und auch Vietnam haben gezeigt: das stimmt einfach nicht.

Da ist die Rede von einem Verhandlungsangebot Russlands, dass der Westen ausgeschlagen hat, im Dezember 2021. Nur, wie sah das aus, und warum hätten NATO und EU es auch nur in Erwägung ziehen sollen, über diese Forderungen zu reden?

Das Risiko einer Eskalation im russisch-ukrainischen Konflikt bleibt bestehen. Das geht aus zwei Vertragsentwürfen für künftige Abkommen über sogenannte Sicherheitsgarantien mit den USA und der Nato hervor, die das russische Außenministerium am Freitag veröffentlichte. Neben dem Inhalt gibt auch der Umgang mit den Dokumenten Aufschluss über die Verhandlungsoffensive Russlands. Im Kern geht es in den beiden Vorlagen darum, in Europa eine russische und eine amerikanische Einflusszone zu errichten. Washington und die anderen Nato-Mitglieder sollen sich verpflichten, keine neuen Mitglieder mehr aufzunehmen. Zudem soll das Bündnis seine militärische Infrastruktur auf den Stand von 1997 zurückbauen, also noch vor den Erweiterungsrunden 1999 und 2004. Und die USA müssten ihre Atomwaffen aus Europa abziehen. Würden die Vertragsentwürfe in ihrer jetzigen Form umgesetzt, entstünde aus russischer Perspektive eine sicherheitspolitische Pufferzone auf dem östlichen Nato-Territorium und nicht etwa entlang der Außengrenzen der Nato. Die Staaten in Moskaus unmittelbarer Nachbarschaft könnten nicht mehr mit westlicher Unterstützung rechnen. Russische Gegenangebote gibt es dafür nicht. Beide Vertragsentwürfe sind so formuliert, dass Moskau keine seiner Positionen, vom Truppenaufmarsch an der russisch-ukrainischen Grenze bis zu den Iskander-Raketen in Kaliningrad, zurücknehmen müsste. Es bietet lediglich an, den Nato-Russland-Rat und andere Konsultationsmechanismen wiederzubeleben.

https://www.swp-berlin.org/publikation/moskaus-verhandlungsoffensive

Ganz neu: Boris Johnson und andere hätten eine Verhandlungslösung zwischen Ukraine und Russland verhindert. As usual werden Dinge behauptet, dann zurückgerudert:

Boris Johnson hat den von Sevim Dagdelen behaupteten Satz – man wolle „bis zum letzten Ukrainer kämpfen“ – so auch nie gesagt. Das räumt die Linken-Politikerin auf Anfrage von ZDFheute ein: Sie habe Johnson „nicht wörtlich zitiert“, schreibt sie in einer Email. Sie habe stattdessen die politische Maxime der Briten und Amerikaner „bis zum letzten Ukrainer kämpfen“ zu wollen und eine mögliche Verhandlungslösung Kiews mit Moskau zu vereiteln, als „zynisch“ kritisiert.

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/wagenknecht-dagdelen-ukraine-krieg-russland-100.html

Gysi und der Anschein von Abgrenzung

Gregor Gysi hat im Februar 2022 klar gesagt:

Und dann auch die Friedensbewegten hierzulande informiert:

Allerdings richtet sich der Thread nicht gegen die üblichen Verdächtigen, KünstlerInnen und IntelltuelInnen. Sondern gegen Baerbock, die verlangt hatte, dass alle Truppen Russlands die Ukraine verlassen müssen.

Dagdelen und Wagenknecht?

In welche Richtung es geht, das zeigt aber schon der Anreißer beim Stern:

Aber natürlich ist nicht viel von dem gestorben, das die üblichen Verdächtigen immer schon gesagt haben.

Ich lese ein VRM-Interview in meinem Darmstädter Echo, nach Gysis Reise in die Ukraine und auch nach Butscha.

Danach hat er übigens diesen skandalöse Tweet abgesetzt:

Die hier „stattgefunden haben sollen“. Er hätte mal mit Betroffenen ernsthaft, nicht nur für die PR reden sollen. Mit Journalisten, die schon früher da waren. Und schweigen, wenn er Russland nicht verantwortlich machen will.

Was so klar Russland verurteilend daherkommt, wird im Detail wieder typisch „Links“. Ausschnitte aus dem Interview:

Hat die Reise Ihre Einstellung zu diesem Krieg grundsätzlich verändert?
Nein, ich war von Anfang an ein absoluter Gegner dieses völkerrechtwidrigen Angriffskrieges. Die NATO und die EU haben in Bezug auf die Ukraine alles falsch gemacht, was sie falsch machen konnten. Das rechtfertigt aber keinen Krieg. Und wir sehen ja einen Krieg, der immer brutaler wird.

ebd

„Die NATO und die EU haben in Bezug auf die Ukraine alles falsch gemacht, was sie falsch machen konnten.“ Kein Wort zu Russland, Putin, der Aggression und wollen wir gar nicht erst fragen, ob es 2014 nicht schon ein Angriffskrieg war die Krim und die sogenannten Separatistengebiete zu besetzen.

Noch eleganter wird es aber hier:

Ohne westliche Waffenlieferungen hätte die Ukraine wahrscheinlich längst kapitulieren müssen. Durch ein von Russland besetztes Land wären Sie aber nicht gereist, oder?
Ganz bestimmt nicht. Ich leite meine Haltung, dass Deutschland keine Waffen liefern soll, nun einmal aus der deutschen Geschichte ab. Ich bin 1948 geboren – mag sein, dass 20-Jährige das heute anders sehen. Ich finde, wir sollten nie an Kriegen verdienen. Auf die deutschen Waffen kommt es in erster Linie aber auch nicht an. Die Hauptlieferanten sind ohnehin die USA, Frankreich und Großbritannien.

ebd.
  1. Geht es wirklich darum, dass „wir“ an Kriegen verdienen? Die Motivation der Befürworter der Lieferung schwerer Waffen wird hier als „kapitalistische“ Verschwörung zur Steigerung der Gewinne von Rüstungsfirmen umdefiniert. Das ist clever, denn dann muss man sich ja nicht mit der Frage beschäftigen, ob die Ukraine ihren Wunsch nach schweren Waffen berechtigt äußert.
  2. Und jetzt wird es so elegant wie in der gesamten deutschen Außenpolitik der letzten 30 Jahre nach dem Zusammebruch der UdSSR: wir können uns ja fein aus schwierigen Fragen heraushalten, USA, Frankreich und Großbritannien werden schon die Drecksarbeit machen, für die sie die Linke dann kritisieren kann.

Was bedeutet diese Zeitenwende denn für die Linke? Wollen Sie diejenigen sein, die nach dem Krieg als erste den Gesprächsfaden mit Putin wieder aufnimmt?
Nein, gewiss nicht. Ich denke an das Russland nach Putin. Ich bin überzeugt, dass Putin mit diesem Krieg den Anfang von seinem Ende eingeläutet hat. Aber auch unabhängig von dieser Hoffnung ist es richtig und wichtig, die Gesprächsfäden zu Russland nicht völlig abreißen zu lassen.

ebd.

Das „Nein gewiss nicht“ klingt wieder entschiedener als die komplette Antwort. Das kann er super: scheinbare Klarheit verbunden mit Sätzen, die dann wieder alles möglich machen.

Gregor Gysi ist vielleicht nicht so „lost“ wie die Masse der querdenkenden Linken, die eine Veranstaltung zum „Ohne NATO leben“ hoffieren. (Kein Link).

Aber rhetorisch sicher gefährlicher.

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