Foto von <a href="https://unsplash.com/@chrisbair?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditCopyText">Chris Bair</a> auf <a href="https://unsplash.com/de/s/fotos/Hufeisen?utm_source=unsplash&utm_medium=referral&utm_content=creditCopyText">Unsplash</a>

Wie argumentieren angeblich Linke (die zu den Verteidigern imperialer, kolonialistischer Großmachtpolitik wurden oder nie etwas anderes waren) denn so. Sevim Dagdelen ist Bundestagsabgeordnete der LINKEN und zählt zu den Vertrauten von Sahra Wagenknecht. Am 24.2. war sie im Mima der ARD/RBB zu Gast und, naja, gab Antworten. Und an denen kann man ganz gut analysieren, wie die rhetorischen Figuren der Pseudo-Linken im Ukraine-Konflikt so funktionieren.

Part 1 – „keine realistische Forderung“

Die Frage ist einfach: warum wird in dem „Manifest“ denn von Russland nicht gefordert, seine Truppen zurückzuziehen. Die Antwort frapierend: Weil „wir glauben“, dass das keine realistische Forderung ist. Nach einer wirklich nur floskelhaften Verurteilung des Angriffes.

Und schon hier: „Wir sind dafür, dass man endlich Frieden schafft“. Gegen einen Invasor, von dem man realistischerweise annimmt, dass er seine Truppen nicht zurückrufen wird. Das zentrale Wort, das jetzt ständig kommen wird, ist „Frieden„. Frieden ist natürlich positiv besetzt, aber hier gemeint ist ja: Erfolg des Angreifers, Kleinbeigeben des Angegriffenen und um das zu erreichen muss jede Unterstützung eingestellt werden. Jetzt zählen wir die Opfer auf – vielleicht hätten es aber auch weniger sein können, wenn der Westen sofort Flugabwehrgeschütze, Kampfpanzer und auch Kampfflugzeuge geliefert hätte. Wenn man realistischerweise annimmt, dass Russland nicht abzieht. (Und auch nie auf ein Manifest deutscher Linker und Rechter reagieren würde).

Die Krokodilstränen sind kaum feststellbar, und die Täter/Opfer-Umkehr voll im Gange.

Part 2 – Frage nicht beantworten

Gemerkt? Der Moderator Aimen Abdulaziz-Said fragt danach, wie man mit einem Einbrecher umgeht, der sich in der Wohnung festsetzt (und ich hätte ja gesagt: alles kaputtmacht, andere Wohnungsbewohner getötet hat und in die Ecke kackt). Dagdelen nimmt die Frage nicht auf sondern redet jetzt von einem Feuer, dass nicht mit Benzin gelöscht werden könne. Das ist unbestreitbar, war aber nicht das Bild aus der Frage.

Ein Feuer brennt, unabhängig von der Ursache, weiter, frisst sich durch die Wohnung und natürlich würde man andere Löschmittel nutzen. Aber wir haben hier kein unpersönliches, naturgewaltiges Feuer sondern eine bewusste, vorsätzliche, fortgesetzte Aktion. Und dass die sich durch Waffengewalt eindämmen und behindern lässt, ist unbestreitbar.

Jetzt kommt die angebliche Rutsche, nach der Waffenlieferungen (angedeutet) auch für die Lieferanten zur Katastrophe führen (Feuer ist nunmal so, in der Vorstellung Dagedelens Putin wohl auch). Die Rutschbahn: das ist Putins Geschäft mit der Atomdrohung. Das muss Dagdelen nicht sagen, das wissen ihre Fans.

Falschaussagen

Dagdelen behauptet, die Befürworter von Waffenlieferung hätten keinen Plan, kein Konzept, keine Idee. Das ist nun mal falsch. Sie gehen nur ebenso wie Dagdelen realistischerweise davon aus, dass Russland nicht einfach so abziehen wird. Und mehrfach dokumentiert ist ja der aktuelle Unwillen Russlands, in Verhandlungen zu gehen, bei denen die Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen von 1993 zur Debatte steht. Der Plan heißt dann also: die Ukraine darf nicht weiter Land verlieren, die Zivilbevölkerung nicht weiter terrorisiert werden. Dass es keinen Plan gebe: Unsinn.

Und dann wird das mit der Streumunition angeführt, die Ukraine hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Russland völkerrechtswidrige Munition verwendet. Ich habe jetzt im Westen niemanden in verantwortlicher Position gefunden, der solche Waffen liefern wollte.

Das wird dann auch nachgefragt.

Inszenierung: wir sind die, die wollen dass keine weiteren Ukrainer:innen sterben, im Gegensatz zu xyz. Allerdings: dass bei einer militärischen Niederlage oder der Kapitulation oder auch einem Waffenstillstand der Ukraine keine Ukrainer:innen mehr sterben würden – ist das realistisch?

Mimimi und USA

Das ist kein Zitat, das ist eine Rede und Mimimi, ich darf nicht Ausreden. Jetzt: Dagdelen in der Opferrolle.

Und, (warum eigentlich jetzt erst) der US-Angriff auf den Irak, mit dem man ja jede, jede einzelne Tat Russlands rechtfertigen kann. Whataboutismus und Antiamerikanismus. Und irgendwie ist sie ja mit dem BND-Chef und dem ukrainischen Präsidenten auf Augenhöhe. Was die Einschätzung der Lage angeht.

Kolonialismus

Frieden, Waffenstillstand – Bellizisten – das Übliche. Was soll das sein, Bellizist. Ich kenne niemanden, der diesen Krieg „gut“ findet, haben will, mehr davon. Die gibt es nicht. Es ist ein Etikett das brutal allen angeheftet wird, die das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine unterstützen.

Eine betroffene Ukrainerin wird von oben herab, paternalistisch angekanzelt. Die kolonialen Denker der Linken nehmen nicht mehr die Betroffenen ernst (was man bei „Freiheitsbewegungen“ gegen die USA immer gerne anführt) sondern Dagdelen weiß, was besser hilft. Das ist in seiner Arroganz, seiner national-egoistischen Herangehensweise – Querfront. Und sicher nicht links.

Und wieder wird die Frage „muss Russland abziehen“ nicht beantwortet. „Ich würde mir das wünschen, aber wie realistisch das ist“ … Immerhin: gut nachgefragt, immer insistiert, aber so packt man das dann doch leider nicht. Immerhin ist das Interview dann schnell vorbei.

Zum Manifest und der Demo in Berlin:

Who’s next – taz „Russland hat die europäische Nachkriegsordnung aus den Angeln gehoben. Das Schicksal der Ukraine ist entscheidend – auch für unseren künftigen Frieden.“

Altlinks oder Neurechts – taz „Sahra Wagenknecht ist es gelungen, sich das Label „Friedensbewegung“ ans Revers zu heften. Rechte lieben die Linken-Abgeordnete dafür.“




Das Schicksal der Ukraine ist nicht die tragische Angelegenheit eines Nachbarn, den man um des lieben Friedens willen zu Kompromissen drängen kann. Mitleid mit der Ukraine ist durchaus das richtige Sentiment: Aber nur, wenn es zur Folge hat, dass wir uns als Schicksalsgemeinschaft begreifen, nicht als Zaungast.

https://www.n-tv.de/politik/politik_wieduwilts_woche/Ein-Jahr-danach-Wofuer-wir-kaempfen-article23942341.html

Ein Like btw für die Hintersetzer-Grafik zu Dagdelen.

Foto von Chris Bair auf Unsplash