Hungerstreik, verzweifelte Blicke, moralische Überlegenheit, Drama baby: Der Wahlkampf wurde begleitet von einer „Aktivisti“-Aktion mit Transpis und Hungerstreikis.* Nahezu alle Medien machten mit, und gefährdeten damit das Leben der Hungerstreikenden, denen es angesichts der fortgesetzten öffentlichen Aufmerksamkeit auch immer schwerer gemacht wurde, den Streik ohne Zielerreichung zu beenden. Immerhin hat Olaf Scholz angerufen, so dass das gesichtswahrend geschehen konnte. Der Spiegel (und andere) dokumentieren das Zusammentreffen, und, war das nicht klar, den Aktivisti war das nicht genug.
Ohne auf die komplette Veranstaltung eingehen zu wollen, hier die erste von zwei Forderungen der ehemaligen Hungerstreikenden (oder tun sie das noch immer, lieber Spiegel?)
Erste Forderung: Die neue Bundesregierung müsse sofort gegen die Lebensmittelverschwendung vorgehen. Große Supermärkte sollten verpflichtet werden, noch genießbares Essen zu spenden, um so ihren CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Damit das passiere, müsse die nächste Bundesregierung ein Essen-Retten-Gesetz nach dem Vorbild Frankreichs auf den Weg bringen.
ebd.
Die Welt ist damit nahezu gerettet.
Wirklich, dafür Hungerstreikende/r sein?
Das ist, wie beim Abschaffen der Plastikstrohhalme, das Problem am aktivistischen Ansatz, der auf Zahlen, Daten, Fakten keine Rücksicht nimmt. Denn selbst wenn Lebensmittelverschwendung ein wichtiges Thema ist: die Supermärkte sind nicht das Problem.
Im August gab es neue Zahlen aus dem Ernährungsministerium:
Blöd ist an der Grafik, dass alle grünen Kreise gleich groß sind. Aber wer lesen kann, der sieht: der größte Brocken bei der Lebensmittelverschwendung ist das Wegwerfen in privaten Haushalten (52%). Groß- und Einzelhandel tragen zu 4 Prozent bei.
Darf ich mich also fragen: was soll das?
Die falsche Priorisierung kommt auch durch die Aktivistenmedien:
Die Welthungerhilfe gibt sich in ihrem „Fact-Sheet Nahrungsmittelverschwendung“ alle Mühe, die Studienergebnisse zu verschleiern:
Das macht man/frau, indem ganz unterschiedliche Messgrößen verwendet werden, also mal absolute Zahl in Tonnen, dann Pro Kopf in Kilo, dann Prozent (immerhin: 0,5 Tonnen), bei Prozessverlusten wieder Prozent und bei Außer-Haus-Verpflegung wieder Tonnen.
Außer Haus umfasst übrigens Kantinen, Gaststätten etc., das ist auch nicht wenig. Allerdings ist hier das Erfassen auch nicht einfach (Studie, S. 27ff)
Es ist Aufgabe von Journalisten, das auch mal einzuordnen und nicht nur zu protokollieren.
*Tut mir leid, das mit Hungerstreikis ist vielleicht unnötig polemisch, aber das nervt mich so an der Aktivist:innenberichterstattung etwa der taz, die diese Niedlichkeitsformen irgendwie vollkommen kritiklos in ihre Berichterstattung übernommen hat. Aktivisti, Danni, Hambi. Ich käme mir als Mensch mit Anliegen verarscht vor.
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