Immer dann, wenn es um das Geschachere bei der Wahl des Bundespräsidenten beziehungsweise die Aufstellung der Kandidaten für dieses Amt geht, wird mir flau. Da wird betont, wie wichtig das Staatsoberhaupt sei, und dann kommen solche Kandidaten wie Wulff und Köhler aus irgendeinem Klüngelzirkel. Da wird dann abgezählt, wie viele Stimmen welcher Block in der Bundesversammlung hat, und es ist peinlich, das Ganze mit anzusehen.

Mit Demokratie hat das dann manchmal weniger zu tun, eher mit Parteitaktik und Koalitionsdisziplin. Woher soll der Bundespräsident angesichts dieses unwürdigen Vorgangs seine Autorität beziehen?

Dabei hielte ich es auch für eine schlechte Idee, den Bundespräsidenten vom Volk wählen zu lassen, schlechte Erfahrungen mit dieser Konstruktion hatten wir ja schon, also ist das keine Alternative.

Es gab wahrscheinlich kaum einen Hochschullehrer, der mich wie mein Prof für Öffentliches Recht Axel Azzola gelehrt hat, auch in Fragen der Demokratie „weiterzudenken“. Sein Vorschlag, damals, lange her: eine Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten, die sich zusammensetzt aus allen gewählten Volksvertretern der Bundesrepublik. Aus Bundestags-, Landtagsabgeordneten, aber auch den Vertretern in Stadtversammlungen, Kreistagen, Gemeindevertretungen. Alle diese Volksvertreter treten zu einer virtuellen Versammlung am selben Tag zur gleichen Zeit zusammen, und wählen.

Diese Bundesversammlung ist unberechenbar, auch wenn man hier mühsam Parteigrößen addieren könnte – denn die Wahl ist geheim, und es gibt keine Disziplinierungsmöglichkeiten der Fraktionsvorsitzenden. In einer solchen Bundesversammlung würde der Kandidat oder die Kandidatin überzeugend gewinnen, die tatsächlich das Präsidentenamt überparteilich ausfüllen könnte. Die Parteien, die Kandidaten vorschlagen, müssten viel mehr Rücksicht darauf nehmen, ob es wirklich ein geeigneter Anwärter ist, der auch Stimmen aus anderen politischen Lagern gewinnen könnte. Der oder die Gewählte könnte aus einer sehr gut legitimierten Wahl antreten. Das ist dann kein Plebiszit, aber dadurch, dass jeder Bürger jemanden kennen kann, der zur Bundesversammlung gehört, ist die Wahl viel direkter.

Axel Azzola sah sogar die Möglichkeit, aus diesem Wahlakt einen Festtag für die Demokratie zu machen, da in jeder Stadt und in jedem Ort gewählt wird.

Was für eine hervorragende Idee.

Jemand wie Horst Köhler wäre so nie ins Amt gekommen, und in diesem Jahr wäre es eher Joachim Gauck als Christian Wulff, der sich Chancen ausrechnen dürfte …

Gerade habe ich gelesen, das Axel Azzola 2007 verstorben ist. Darüber bin ich traurig, denn, siehe oben, kaum ein Hochschullehrer hat mir so viel darüber beigebracht, wie man „denkt“. Wird an den Hochschulen neben dem „lernen“ eh meist vergessen. Bachelor. Gesundheit.