Drei Autoren haben sich für das Münchener IFO-Institut mit einer CO2-Bilanz von Diesel- und Elektroauatos beschäftigt: Christoph Buchal, Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn. Ihr „Forschungsergebnis„: die CO2-Bilanz des Diesel schlägt das Elektroauto, konkret der Mercedes C 220 d den Tesla Model 3.
Es folgt aus unseren Vergleichsrechnungen für den
https://www.cesifo-group.de/DocDL/sd-2019-08-sinn-karl-buchal-motoren-2019-04-25.pdf
neuen Tesla Model 3 und den Mercedes C 220 d, dass
auch moderne Elektroautos in den nächsten Jahren
schwerlich in der Lage sein werden, einen Beitrag zur
Minderung der deutschen CO2-Emissionen zu leisten.
Diese Studie stieß auf kritische Resonaz. Vor allem in der Wirtschaftswoche sah sich Stefan Hajek die Annahmen an, die die Studienmacher getroffen haben, um zu ihrer CO2-Vergleichsrechnung zu kommen. Er kommt zum Schluss, dass die Ergebnisse nicht haltbar sind:
Das widerspricht in krasser Weise so gut wie allen seriösen, internationalen Studien der vergangenen Monate, die zu dem Thema erstellt wurden.
Es darf nicht wundern, dass sich die FAZ, die schon die Lungenärzte enorm wichtig nahm, des Themas annahm und vor allem zu Schlussfolgerungen kommt, dass Sinn & Co. doch eher recht haben müssten. Die Methoden im Artikel Gehen wir der Sache auf den Grund! (F+, kostenpflichtig) haben ihren ganz eigenen Charme. Der vor allem darin besteht, die eigene „Erfahrungswelt“ gleichberechtigt zu wissenschaftlichen Methoden zu positionieren.
Eines der Argumente von Hajek und anderen ist die Tatsache, dass beim Verbrauchsvergleich der veraltete europäische Standard NEFZ herhalten mussen, von dem wir nicht erst seit dem Dieselskandal wissen, dass seine Werte mit realen Fahrsituationen nichts zu tun hat.
Die FAZ-Autoren dazu:
für den TESLA lägen keine Werte nach dem realistischeren WLTP vor, schreiben die Autoren (der Studie, Anm. M.S.)
Jetzt könnte man als Journalist mal hingehen und prüfen, ob das denn stimmt. Dazu genügt schon ein Blick in die vielgeschmähte Wikipedia: für den Long Range Dual Motor (ab Juli 2018) und den Long Range Dual Motor Performance (ab Juni 2018) gibt Tesla die Reichweite nach WLTP an. hier und hier
Den Verbrauch nach WLTP (kombiniert) findet man hier beim ADAC. Wie auch beim Mercedes handelt es sich um Herstellerangaben. In der Wiwo heißt es dazu:
Weshalb Sinn et al hier mit dem veralteten, nachweislich minderwertigen Laborstandard arbeiten, wo auch treffendere Standards wie WLTP oder EPA und sogar empirische Verbrauchswerte für beide Fahrzeuge problemlos zugänglich sind, bleibt sein Geheimnis. Es drängt sich der Verdacht auf, dass ein bestimmtes Ergebnis zu Gunsten des Diesels erreicht werden sollte. Denn die Diskussion um NEFZ dürfte den Autoren kaum entgangen sein
https://www.wiwo.de/technologie/mobilitaet/ist-das-e-auto-ein-rueckschritt-was-hans-werner-sinn-bei-seiner-elektroauto-studie-uebersehen-hat/24237236.html
Die FAZ ficht das nicht an, hier werden jetzt die eigenen „Erfahrungen“ mit den Redaktion zur Verfügung stehenden Testfahrzeugen angeführt. Einen wissenschaftlichen Wert kann man hier schwerlich ableiten.
Der zweite Faktor ist die Lebensdauer der Batterie, in der IFO-Studie sehr kurz angesetzt. Der Wiwo-Artikel verweist auf Experimente, die die von Sinn et.al. angenommenen möglichen 300 Ladezyklen grotesk niedrig angesetzt scheinen lassen:
Sven Bauer, Chef des mit rund einer Milliarde Euro Umsatz größten deutschen Akkuherstellers BMZ in Karlstein am Main, wollte es genauer wissen, hat den Akku eines Tesla Model 3 zerlegt und so oft ge- und ganz entladen, bis er kaputt war. In Wirklichkeit ginge das in dieser Form gar nicht, da die Software und Leistungselektronik das verhindern würden, aber for the sake of the argument: Bauer schaffte in seinen empirischen Versuchen 3000 Komplettladezyklen.
Auch andere Reverse-Engineering-Versuche ergeben wesentlich bessere Werte.
Die FAZ dagegen zitiert jetzt eine Leserzuschrift eines BMW-i3-Besitzers, der belegt haben will, das der Akku seines Fahrzeugs viel schneller an Kapazität verliert. Interessant, aber was hat das mit der Studie zu tun? Vorsorglich schreiben die Autoren:
Ein Beispiel aus dem Alltag, ohne Anspruch aus wissenschaftliche Haltbarkeit.
Das ist jetzt mehr als traurig, oder soll das Beispiel nur dokumentieren, wie weit die FAZ dabei geht, den Diesel zu retten?
Das Fazit ist wenig überraschend, dass „ohne Diesel“ gar nichts geht, auf mittlere Sicht. Den Anspruch „Gehen wir der Sache auf den Grund“ löst der Artikel auf jeden Fall schon mal nicht ein.
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