Es scheint so zu sein: die EU will uns unser Trinkwasser wegnehmen. Unternehmen Milliardengewinne zuschustern. Das so billige Wasser in Deutschland grundlos verteuern. Antidemokratisch und lobbyhörig unser aller Leben zum Schlechteren wenden. Zeit aufzustehen und ein entschiedenes NEIN gen Brüssel zu rufen. Und viele viele „Informationen“ zum Thema auf Facebook zu teilen. Petitionen zu unterschreiben.
Wenn eine Kampagne so massiv, so heftig, so erfolgreich ist, dann geht einem doch das Herz auf, wenn man auch nur ein bisschen Verständnis für partizipatorische Bewegungen hat. Allerdings: bei mir läuten auch, ganz leise, ein paar Warnglöckchen. Das sind „Ist-die-Welt-wirklich-schwarz-oder-weiß?“ Detektoren, die Alarm geben, wenn mal wieder eine Sache so unglaublich eindeutig aussieht – dass es schon gegen die Alltagserfahrung ist, die sagt dass ein Ding selten nur eine Seite hat.
Grund genug, manchen Dingen mal auf den Grund zu gehen. Aus zwei Perspektiven:
- journalistisch: mit welcher Art von Berichterstattung haben wir es zu tun? Wie sind die Beiträge gestrickt? Welche journalistischen Muster finden wir?
- demokratietheoretisch: wie läßt sich ein medialer Hype, der „alte“ Medien und „Neue“ gleichermaßen erfasst, deuten?
Beginnen wir mit dem zuletzt von mir vorgefundenen Beitrag, MONITOR (WDR) vom 14.3.2013
Die Opfer
Navigation von Monitor: Hier finden Sie ca. 1 Stunde nach der Sendung das Video und am Freitagnachmittag den vollständigen Beitragstext. – by Moderation – http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2013/0314/wasser.php5;
Ich finde es gant gut, dass uns MONITOR den Beitragstext mitliefert, so dass man nachlesen kann, was man vorher gesehen hat. Mir kommen dann aber beim überfliegen ein paar Zweifel, und das wird durchs googlen nicht besser.
Da heißt es etwa:
Wohin die Privatisierung des Trinkwassers führen kann, haben sie im portugiesischen Pasos de Fereira schon erlebt. Die Menschen, die wir hier treffen, sind empört.
Also mal nachschauen, wo dieses Pasos de Fereira liegt, vielleicht finden sich ja ein paar Originalunterlagen zum Thema. Allerdings: es gibt in Portugal kein Pasos de Fereira. Die ersten Suchen sind ein Fehlschlag. Langsam vorgetastet: der Ort heißt „Pacos de Ferreira“. Das ist schonmal blöd für so einen Beitrag. Aber nehmen wir mal an, dass das als Ausprachehilfe so im Text steht und kein doofer Fehler ist. Ich bin mir da aber gar nicht sicher. Schlampig ist es auf jeden Fall.
Auf jeden Fall ist der Ort der Vorzeigeort der „Privatisierungsgegner“:
Die Konsequenzen der Privatisierung hier in Pasos de Fereira waren verheerend. Wir hatten 400 % Preiserhöhung in wenigen Jahren. Und dann jedes Jahr noch mal 6 % Preissteigerung. Das ist ein Desaster.
In TV-Logik haben wir hier „das Opfer“. Das ist ziemlich wichtig. In manchen Postings heißt es ja sogar, in Portugal sei der Wasserpreis um 400 Prozent gestiegen, ich denke allerdings, dass alle diese Meldungen auf das Vorzeigestädtchen der Protestbewegung zurückgehen, wenn man schreibt „um bis zu 400 Prozent gestiegen“ stimmt es dann auch wieder für ganz Portugal, ach was, für die ganze Europäische Union. Zur Einordnung: das Örtchen hat 7.481 Einwohner.
Ich bin mir sicher, dass die Preisentwicklung stimmt. Was wir aber alle nicht wissen: welche Gründe könnte es geben für diese Preissteigerung? Vielleicht hat die Kommune seit Jahrzehnten aus politischen Gründen den Wasserpreis niedrig gehalten und die Wartung des Leitungsnetzes vernachlässigt? Bis es dann so marode war, dass sie aus eigener Kraft keine Chance sahen, eine Renovierung anzugehen? Da kommt dann so eine Privatisierung sehr gelegen: die eigenen Fehler der Vergangenheit kaschieren, Kasse machen und dann über den bösen Kapitalisten schimpfen. Pfui.
Im Beitrag folgt auf den oben zitierten Satz (ein O-Ton eines Gesprächspartners einer Bewegung 6. November, die ich gar nicht einschätzen kann)
Das befürchtet man auch in Karlsruhe. Bisher bestimmen hier Stadt und Bürger über das Wasser selbst. Statt Gewinne zu machen, werden die Einkünfte direkt in Leitungen und Rohre investiert.
Also befürchtet man 400 Prozent Preissteigerung in Karlsruhe? Wow. Der folgende Vertreter der Stadtwerke Karlsruhe bestätigt das in seinem Statement – nicht.
Der Blick nach Karlsruhe zeigt: Preissteigerungen sind auch hier nicht unbekannt. Etwa 2008. Da stieg der Wasserpreis etwa um 8 Prozent. Karlsruhe liegt nach diesem Artikel in den Top 20 der teuren Wasserkommunen (obwohl solche Preisvergleiche extrem schwierig und fast nicht machbar sind, siehe: Wasser- und Abwasserpreise in Deutschland: Die Wasserpreise sowie die Wasser- und Abwassergebühren in Deutschland werden nach dem Kostendeckungsprinzip unter Berücksichtigung der Umwelt- und Ressourcenkosten gebildet. – http://de.wikipedia.org/wiki/Wasser-_und_Abwasserpreise_in_Deutschland).
Ist das wahr? „Statt Gewinne zu machen werden die Einkünfte direkt in Leitungen und Rohre investiert“? Zum 1.10.2012 wird das Wasser in Karlsruhe wieder teurer. Im Forum des Bunds der Energieverbraucher gibt es diesen Hinweis:
Die Wasserpreiserhöhung zum 1.1.2008 ließ die Gewinne in diesem Bereich nahezu explodieren. Der Gewinn stieg von 1,1 Mio. Euro auf satte 2,5 Mio. Euro und hat sich damit mehr als verdoppelt -mehr als unverschämt! Seit Frau Mergen als Aufsichtsratsvorsitzende bei den Stadtwerke Karlsruhe fungiert, werden die Spartengewinne (Strom/Gas/Wasser/Fernwärme) nicht mehr im Geschäftsbericht aufgeführt. Auf meine Nachfrage hin wurden wettbewerbsrechtliche Gründe vorgeschoben, wobei Frau Mergen doch bekannt sein dürfte, dass es bei Wasser und Fernwärme überhaupt keinen Wettbewerb gibt.
Beim Wasserpreise gilt das Kostendeckungsprinzip (keine Gewinne-keine Verluste). Da den Stadtwerke Karlsruhe aber wohl haufenweise die Gaskunden davon laufen, will man sich jetzt an den Wasserkunden, die leider nicht fliehen können, schadlos halten. Da die Gewinne im Bereich Wasser weitherhin nicht veröffentlicht werden, ist davon auszugehen, dass weiterhin unangemessene Gewinne auflaufen.
Ob das so die allerbesten O-Ton-Geber zum Thema sind?
Des Pudels Kern
Stoßen wir also mal zum Kern der Auseinandersetzung vor, und damit der Frage: worum geht es hier eigentlich, warum regen sich alle auf, und was will diese miese EU Schlimmes mit uns anstellen. Vielleicht finden wir hier ein paar wichtige Grundinformationen:
Kostbar und kapitalintensiv: Wasser gehört zur Grundversorgung. Deshalb ist der Wassermarkt ein stark regulierter Markt. Und doch haben viele Konzerne versucht, mit der Wassersparte Geld zu verdienen. Inzwischen ist die Rolle rückwärts in vollem Gange. – http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hiwi/477688/
Ja, auch wenn hier schon sehr viel „Privatisierungsskepsis“ gehandelt wird, werden doch die Probleme und Positionen mal aufgezeigt. Eines der Probleme kommt auch, so nebenbei, in dem Monitor-Beitrag vor:
Wie viele Stadtwerke hat Karlsruhe eine private Minderheitsbeteiligung. Nach den EU-Plänen sollen sie gezwungen werden, die gesamte Wasserversorgung auszuschreiben. So will es die so genannte „Dienstleistungskonzessionsrichtlinie“.
Nämlich: die Wasserversorgung in Deutschland findet bereits in weiten Teilen mit Beteiligung „privater Unternehmen“ statt, wenn auch in den allermeisten Fällen in Form von Minderheitsbeteiligungen.
An dieser Stelle fällt in der aufgeregten Debatte auf, dass das wohl viele Petitionisten und aufgeregte Menschen nicht realisiert haben, und spannend wäre zu erfragen, ob diese denn wüssten, ob ihr Wasserlieferant ein rein kommunales Unternehmen ist, oder schon so ein bisschen privatisiert daherkommt?
Kaum jemand wird diese Frage aus dem Stand heraus beantworten können. Ein Blick auf die Jahresabwasserrechnung genügt: ist dor Mehrwertsteuer ausgewiesen, dann ist die Wasserversorgung privatrechtlich organisiert, ist dort keine Mehrwertsteuer zu sehen (und steht etwa auch noch „Gebührenbescheid“ drüber, neben dem Wappen der Kommune) dann eben nicht.
Mit ein bisschen Hintergrundkenntnis stellt sich also heraus: es gibt schon Komplett- und Teilprivatisierungen in Deutschland, und um die geht es der EU. Denn bisher haben die örtlichen Honoratioren und ihre Stadtwerke das mit den Beteiligungen schön alleine auskungeln können, zukünftig müssten sie, wenn sie nicht komplett auf Unternehmensgelder verzichten wollen, die Konzesion zur Wasserversorgung ausschreiben, je nach Umsatz auch mal EU-weit.
Worum es hier genau geht, das beschreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung „Markt im Wasserwerk“.
Zentraler Absatz:
Einen Zwang zur Privatisierung sieht der Vorschlag nicht vor. Das hätte auch dem EU-Recht widersprochen. Das besagt, dass Kommunen Dienstleistungen wie die Versorgung der Bürger mit Wasser oder anderen wichtigen Gütern stets in Eigenregie – also durch Eigenbetriebe oder ihnen gehörende Stadtwerke – erbringen können. Wenn die Kommunen die Leistung nicht selbst erbringen wollen, müssen sie diese nach dem Barnier-Vorschlag ausschreiben. Das bedeutet wiederum nicht, dass der Preis einziges Kriterium ist. In einer Ausschreibung darf die Kommune auch Sozial-, Umwelt- und andere Qualitätsstandards vorgeben.
Andererseits: so freihändig und individuell wie das bisher „ausgekungelt“ wurde, so könnten es die Kommunen nicht mehr handhaben. Während im Zuge der aktuellen Proteste gegen die böse Privatisierungs-EU viele auf die Barrikaden gehen, so können wahrscheinlich die wenigsten erklären, wie die Wasserversorgung in ihrer Gemeinde, ihrer Stadt geregelt ist und wie das Zustande kam. Etwa: warum Eon und andere eine Minderheitenbeteligung halten. Klar, das hat finanzielle Gründe, aber welche genau?
Die Sage von der segensreichen Wasserversorgung in kommunaler Hand
Zwischen den Zeilen gibt es zwei Motive, die die Proteste befördern. Das eine ist die „Grundrecht auf Wasser“-Argumentation, die andere die unausgesprochene Unterstellung, die Wasserversorgung sei sicherer und preisgünstiger in den Händen der kommunalen Betreiber aufgehoben.
Darf ich mal kurz hüsteln?
Ich empfehle mal ein ZDF-Zoom zum Thema: Teure Tropfen: Geschäft mit Wasser: Deutschland ist ein Wasserparadies – sollte man meinen. Es gibt keine lang anhaltende Trockenheit. Eigentlich gibt es Wasser im Überfluss. Gemessen daran ist unsere Wasserversorgung teuer. Aber warum? – http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1612392/Teure+Tropfen%3A+Gesch%C3%A4ft+mit+Wasser#/beitrag/video/1612392/Teure-Tropfen-Geschaeft-mit-Wasser
http://youtu.be/vZllMPAtvHM
Hier gehen die Autoren der Frage nach, eben warum diese kommunale Küngelei nicht zu einer tollen, prima, besten Wasserversorgung beiträgt. Ein Beispiel: Wetzlar und sein Versorger:
Profil – Wir über uns: enwag ist das Energie-Dienstleistungsunternehmen in unserer Region. Wir versorgen unsere Wetzlarer Kunden mit Strom und Gas und betreiben die Netze zur Strom-, Gas- und Wasserversorgung in unserer Stadt. – http://www.enwag.de/enwag/profil.html
So ein Minderheitenkonstrukt, bei dem aber die Stadt Wetzlar 50,1 Prozent der Anteile hält. Wetzlar hält der Deutsche Konsumentenbund für ein dolles Beispiel, wie zu Lasten der Kunden missgewirtschaftet wird. Dazu zwei Links:
Deutscher Konsumentenbund: Der Deutsche Konsumentenbund ist eine gemeinnützige, in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisierte Interessenvertretung und ein Konsumentenschutzeinrichtung mit Sitz in Kassel. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Verbandes liegt in Hessen. – http://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Konsumentenbund#Arbeitskreis_faires_Wasser
Enwag muss Wasserpreis in Wetzlar um 30 Prozent senken: Wetzlar/Karlsruhe (ddp). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechtsposition der Kartellbehörden bei der Bekämpfung überhöhter Wasserpreise gestärkt. – http://www.giessener-allgemeine.de/Home/Nachrichten/Hessen/Artikel,-Enwag-muss-Wasserpreis-in-Wetzlar-um-30-Prozent-senken-_arid,159410_regid,1_puid,1_pageid,11.html
Nochmal die Wikipedia zu Wasserpreisen:
Den Einfluss der Betriebsführung auf die Kosten zeigt ein Vergleich zwischen Wetzlar und Montabaur. Die Gemeinde Wetzlar begründet nach Ansicht der Landeskartellbehörde die überhöhten Wasserpreise mit dem hügeligen Gelände, obwohl die Stadt weitgehend flach ist. In der Gemeinde Montabaur hingegen, die tatsächlich hügelig ist, werden Kostensenkungspotenziale ausgeschöpft und die Wasserpreise sind 30 % niedriger als in Welzlar. Unter anderem wurde eine Ringleitung gebaut, so dass Wasser jetzt per Schwerkraft fließt und vier zuvor genutzte Pumpstationen überflüssig geworden sind. Außerdem wird das Netz sorgfältig digital kartiert, wodurch der Aufwand bei Reparaturen gering gehalten werden kann.[39]
Das hessische Innenministerium als Aufsichtsbehörde hat bei vielen, vielen Wasserversorgern überhöhte Preise reklamiert – und Senkungen durchgesetzt. Die Zoom-Reportage beginnt mit Reiskirchen und den dortigen Protesten gegen 44-Prozentige Preiserhöhungen – das „Pacos de Ferreira“ Hessens.
In Darmstadt hat man so seine Erfahrungen mit Abwassergebühren gemacht, da musste eine Bürgerinitiative langen Atem haben, bis per Gerichtsurteil zu Unrecht überteuerte Gebühren zurückerstattet werden mussten. Mir kann niemand plausibel machen, warum kommunale „Unternehmen“ oder Stadtwerke vollautomatisch lauterer, ehrlicher, kundenfreundlicher oder allgemein „besser“ sein sollen als ein komplett privater Anbieter. Mal wird das Stadtwerk benutzt, damit es mit seinen Überschüssen die chronisch klammen Haushaltskassen auffüllt, mal sind die Jobs dort eine prima Parkposition oder Gratifikation für verdiente Kommunalpolitiker und Partesoldaten. Sachverstand ist da nicht immer gefragt.
Aber in der ganzen Anti-Privatisierungs-Debatte schlägt eine Einstellung durch, dass „der Staat“ manche Aufgaben viel besser lösen könne als Unternehmen, die „Pfui“ Gewinne machen wollen. Gleichzeitig wird auf Politiker pauschal eingeprügelt – hallo? Die sind es doch, die Leitungsfunktionen bei kommunalen Versorgern besetzten. Wenn man die alle für blöd und korrupt hält, warum will man dann ausgerechnet denen die Versorgung mit öffentlichen Gütern in die Hand drücken?
Ein vorläufiges Fazit
Die EU-Privatisierungs-Aufregung passt zu einer Reihe von Aktionsmustern, die das Phänomen befeuern:
- Die meisten Medien verwenden schwarz-weiß-Muster. Zwischentöne, schon leichte Hintergrundrecherchen, sind nicht gefragt. Was nicht ins Muster passt, wird ausgeblendet. Jeder Journalist müsste sich eigentlich Fragen, warum er von deutschen Wasserwerken so eindeutig negative Auskünfte zum Thema bekommt. Die Antwort: vielen von diesen wären direkt betroffen, müssten Kalkulationen vorlegen, Begründungen abliefern, könnten nicht mehr so vor sich hinwurschteln. Sie haben Interessen, und sei es nur die Angst um den eigenen Job.
- Die meisten Aktivisten haben den „Neoliberalismus“, wie sie ihn nennen, satt. Und sehen ihn an jeder Ecke. Wenn einer mit dem Finger auf jemanden zeigt und „Neoliberalismus“ schreit, dann kann er sich großer Resonanz und Zustimmung gewiss sein.
- Es ist so einfach, mal eine Opentpetition zu unterschreiben, auf die da in Brüssel zu schimpfen, über wildgewordene Lobbyisten zu reden. Nicht dass es nicht auch gute Gründe gäbe, das zu tun. Nur ist das Wasserbeispiel eher wenig geeignet. Hier gehen alle Aktivisten den hiesigen Stadtwerken auf den Leim, die lieber öffentlich unkontrolliert weitermachen wollen. Denn:
- Für lokale, kommunale Politik interessieren sich im Gegensatz dazu nur die wenigsten. Sie können häufig nicht mal sagen, wie die Sitzverteilung im Kommunalparlament zwischen den Parteien ist. Wann zuletzt über Wasser- und Abwassersatzung entschieden wurde. Welche Organisationsform die lokalen Versorger haben. Wie die Menschen an der Spitze dieser Unternehmen ausgesucht wurden. Und so weiter und so fort. Es ist viel einfacher, die EU blöd zu finden und sich auf dieser höchsten Ebene mit Aussicht auf Mißerfolg zu „engagieren“, um dann sagen zu können: die da oben, wir da unten – keine Chance.
- Die Bereitschaft sich lokal und regional schlau zu machen und einzumischen ist dagegen gering. Die geringe Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen, die fast nicht vorhandene Öffentlichkeit bei Sitzungen der Volksvertretungen – alles Indizien dafür, dass etwas nicht stimmt. Auf der untersten Ebene, in der so dringend Bürgerbeteiligung gefragt wäre.
Denn hier müssten die Privatisierungs-Kritiker ansetzen: schlimm ist nicht die Privatisierung, nicht der Zwang zur Ausschreibung. Schlimm sind die handwerklichen Mängel, die sich Kommunen bei solchen Aktivitäten erlauben, vielleicht gar vorsätzlich einbauen. In einer Ausschreibung und einer Konzession kann man weitgehende Vorschriften machen: zu Wasserqualität und zum Leitungsnetzausbau und Erhalt. Natürlich werden Unternehmen Schlupflöcher suchen, aber davor kann man sich schützen, wenn man darauf achtet, die Verträge „wasserdicht“ zu machen. Und natürlich müssen die Bürger diesen Prozess erstmal wahrnehmen und sich auch beteiligen. Dann klappts auch mit dem Wasser als Gut.
Übrigens, zum ersten Punkt: die Nahrungsmittelversorgung in Deutschland ist voll privatisiert. Der soziale Ausgleich wird nicht auf dem Nahrungsmittelmarkt betrieben.
Ergänzend:
http://carta.info/55298/warum-sind-moderne-protestbewegungen-so-kurzatmig/
Utopia versus Moloch, das ist, stilisiert, wohl die Formel, die hinter der Angst steckt, Privatisierung sei des Teufels.
Ich glaube nicht, daß öffentliche Funktionäre automatisch lauter handeln, aber auch nicht, daß Privatisierung automatisch zu einer Verbesserung führt. Es wird Konzentration geben, die Großen fressen die Kleinen und Großkonzerne handeln genauso nach Gutsherrenart wie öffentlicher Verwaltungsklüngel – siehe Energieversorger.
Es ist wichtig, welchem Wert man Priorität einräumt. In diesem Fall geht Gemeinschafts- vor Eigeninteresse. Privatwirtschaftliches Handeln ist selten nachhaltig motiviert, dahinter steckt kein Modell zur Sicherung der Lebensgrundlagen von Generationen.
Man muß erwarten dürfen, daß öffentliche Körperschaften da anders planen und handeln, unabhängig, zum Nutzen aller, vergleichbar der Justiz. Daß die Verhältnisse tatsächlich andere sind, wie Deine Beispiele zeigen, ist traurig, darf aber nicht zu dem Schluß führen, daß wir aufhören müssen, die Zustände zu verbessern. Wir geben ja auch nicht unser Justizsystem auf, nur weil es gelegentlich mal ein ungerechtes Urteil oder korrupte Richter gibt.
Die Idee, die Hoheit über die Infrastruktur in öffentlicher Hand zu belassen, finde ich richtig. Man muß halt dran arbeiten.
Der Trick ist tatsächlich: es richtig zu machen. Naturgemäß werden Konzesionen auf Zeit vergeben, das gilt etwa auch für die Stromkabel in der Erde, die in jedes Haus führen. Hier darf auch nicht jeder Stromanbieter anfangen neue Kabel zu verbuddeln.
Wenn man in den Vertragsbedingungen klare, nachprüfbare Qualitätskriterien vorgibt, Anzahl der zu ziehenden Wasserproben, Qualitätsmerkmale für die Rohrleistungsqualität, Höchstgrenzen für das Wasserversickern etc. dann kann sich auch ein privater Anbieter um die Durchführung bewerben.
Die Erfahrungen in London und anderen Städten zeigen: wenn man da bei der Ausschreibung schlampt, dann geht es in die Hose.
Und natürlich: die Kräfte sind unheimlich ungleich verteilt. Es gibt zu wenige absolut hochqualifizierte Juristen im öffentlichen Dienst, deshalb werden externe Kanzleien bei Vertragsentwürfen hinzugezogen, und an deren Lyoalität habe ich manchmal so meine Zweifel.
Ein Beispiel für Murks ist sicher der Konzessionsvertrag über die LKW Maut – da hat sich die Bundesregierung wohl über den Tisch ziehen lassen, was bei einem Vertragswerk von 1700 Seiten auch nicht weiter verwunderlich ist.
Privatisierung: ja, auf dem Telekommunikationsmarkt läuft manches schief, aber die alte DEUTSCHE POST mit ihrn PTZ- und FTZ-Anforderungen will ich nie zurück. Die Menschen haben vergessen, welch hoheitlichen Umgang der Laden mit seinen „Kunden“, nein, Antragstellern pflegte. Gruslig.
Und der Strommarkt hat gezeigt, dass es ohne Aufsicht (Bundesnetzagentur) und strikte Regeln nicht geht – die muss man als Gesetzgeber schaffen. Der Anfang war eine Katastrophe, als sich Wirtschaftsminister Müller alleine auf „Verbändevereinbarungen“ und „Selbstregulierung“ verließ. Was ein Irrsinn.
Das Problem ist: es ist halt alles immer ein bisschen komplizierter als ein „Share“ bei Facebook …