Ich sammle hier mal Dokus, die mir augenblicklich. gefallen
Netflix
Alex Gibneys Produktionsfirma Jigsaw hat in diesen Tagen die zweite Staffel von DIRTY MONEY angeliefert. Schon die erste Staffel war überwiegend gut, allerdings formal und inhaltlich sehr unterschiedlich, nicht jede Doku hat mir gefallen – so fand ich Ansatz und Einstieg bei der Doku um VW und den Dieselskandal mißglückt. Die Folge über die HSBC hat mich viel neues gelehrt, war aber in gewisser Weise unspektakulär. Richtig begeistert haben mich zwei Folgen:
Payday Loan: Der Anfang ist ein bisschen verwirrend: die Behörden beschlagnahmen Rennwagen aus dem Keller einer Luxusvilla, der Betroffene und seine Frau beschweren sich bitter darüber. Ganz langsam wird die Geschichte von Scott Tucker erzählt, der die finanzielle Notlage vieler Amerikaner ausnutzte. Wer am Monatsende Geld brauchte, für eine kurze Zeit, der kann einen Kleinkredit abschließen, wenige hundert Dollar, wenige Tage. Wer aber das verwirrende Kleingedruckte nicht las oder verstand, der verstand nicht, dass bei der Abbuchung am Payday von seinem Konto keineswegs der Kredit getilgt wird, es handelt sich nur um eine „Verlängerungsgebühr“. Wer nach Monaten merkt, dass die Abbuchungen nicht enden, wird am Telefon abgefertigt. Mehrere hundert Prozent Zinsen kosteten die kleinen Darlehen, und das Unternehmen von Tucker verschleierte seine Aktivitäten und suchte Schutz bei Stämmen der Native Americans, die teilweise außerhalb der US-Jurisdiktion stehen. Die Doku besticht durch die Erklärung des Mechanismus, aber auch durch das Portrait des Mannes, der sich unschuldig verfolgt glaubt und daher das Kamerateam oft dabei sein lässt. Das ist: großartig. Dieses Video erklärt übrigens gut das System:
Teure Medizin ist der deutsche Titel der zweiten Folge, die mich sehr beeindruckt hat. Das Geschäftsmodell des Pharmariesen Valeant: kleine Pharma-Firmen aufkaufen, Entwicklung und Forschung beenden und dann die Preise für Medikamente hochsetzen. Sehr hoch. Der Gewinn steigt, die Börse ist begeistert, aber das Modell funktioniert nur, wenn immer neue Firmen gekauft werden können. Dass das nicht nachhaltig ist, darauf setzen Baisse-Spekulanten, die hier genüsslich die Geschichte eines Hedge-Fonds-Managers erzählen, der sich verzockt. Für die Kunden allerdings: Kein Happy End, nirgendwo, trotz Untersuchungen im Kongress und Anhörungen im Senat, bei denen Preissenkungen versprochen wurden. Das amerikanische Gesundheitssystem ist dysfunktional. Ein Teil der Geschichte wird in dieser Folge erzählt.
Eine Hauptzeugin ist die Investment-Bankerin Fahmi Quadir, die den richtigen Riecher hatte und die einbrechenden Kurse von Valeant voraussah. Ob sie dabei die uneigennützigen Motive hatte, von denen sie in die Doku redet? Wer weiß.
Auf jeden Fall ist es spannend, manchmal deprimierend, der Geschichte zu folgen. Wie bei allen Dokus mindestens dieser Reihe erweist sich der Ehrgeiz, die Geschichte nur mit O-Tönen zu erzählen, als Haken, denn die Macher müssen sich damit behelfen, Fakten per Grafikeinblendung an die richtige Stelle zu bringen, wenn sie niemanden haben, der die Geschichte weitererzählt. Diese Krücken sind meist, oder immer, unschön.
Wie dem auch sei: mindestens diese zwei Folgen sind sehr sehenswert, hier der Trailer zur ersten Staffel:
Und jetzt ist Staffel zwei dabei. Erstes Highlight: die Geschichte von Jared Kushner, seinem Immobilienimperium, vom Papa geerbt, und damit die Geschichte vom Trump-Schwiegersohn, der Mieter drangsaliert und zum Ausziehen zwingen will. Hier der Trailer zur zweiten Staffel:
Ja, alle sagen, sie schauen Dokus auf Netflix, aber das Business ist hier mehr Image als wirklicher Zuschauererfolg – zumindest in Deutschland. Immerhin: in den USA scheint die Reihe in die seit kurzem veröffentlichten Netflix-Top-Ten eingestiegen zu sein. Das ist eindrucksvoll.
Also: mein erster Sehtipp aus der Sozialen Vereinzelungsanlage. Enjoy. Und immer dran denken: wenn es jemand ist, der uns erzählt, wie kaputt die USA sind, dann ist es meist ein Amerikaner. Was könnte das bedeuten?
Nachtrag 22.3.: Die Kushner-Folge Slumdog Millionaire lässt im zweiten Teil stark nach, das Verknüpfen der Einzelaspekte gelingt fast gar nicht mehr. Da wären: Verrotten lassen von Wohnungen, Aufkaufen von Appartementanlagen und Verfolgung von Ex-Mietern mit ungerechtfertigten Forderungen, Zwielichtige Geldgeber gegen politische Gefälligkeiten finden, Nepotismus. Das klappt hintenheraus gar nicht mehr, und die letzten zehn Minuten sind nur Zeitschinderei. Schade.