Immer dann, wenn ich euphorische Vorabmeldungen zu TV-Formaten lese, dann muss ich hieran zurückdenken:
Das war am 9.12.2011. Die Euphorie anläßlich der Vorstellung der allvorabendlichen Sendung von Thomas Gottschalk: grenzenlos. Kuzmany, an anderer Stelle als „Der Kuzy“ als Meister der ironischen Selbstdistanzierung vorgestellt, ist hier alles andere als ironisch oder gar distanziert.
Aber dann, je länger die Pressekonferenz läuft, desto klarer wird: Diese Wurstigkeit, die so weit geht, dass er sich nicht einmal den Titel seiner Show gemerkt hat, diese vollkommene Entspanntheit, die Thomas Gottschalk heute wie in seinen besten Momenten ausstrahlt, sie ist Grundlage und Hoffnung dafür und darauf, dass „Gottschalk Live“ tatsächlich eine großartige Sendung werden könnte. Denn Gottschalk hat das alles nicht nötig – und um so freier kann er agieren
Im folgenden stellt Kuzmany fest, eigentlich sei es vollkommen egal, welches Konzept, welchen Stil, welche Redaktion etc. die Sendung habe, denn darauf komme es ja nicht an:
Das alles ist Staffage und tote Materie. Lebendig wird die Sendung allein durch ihren Moderator, und wenn er es schafft, in seiner Show auch nur die Hälfte der guten Laune auszustrahlen, die er bei dieser Präsentation an den Tag legt, dann wird sie ein Erfolg. (…)
Das muss man alles nicht wissen, denn das einzige was zählt für „Gottschalk Live“, ist Thomas Gottschalk selbst und das, was ihm genau in der richtigen Sekunde einfällt und einfach so über die Lippen kommt.
Der Rest ist Geschichte. Und bei mir ein feines kleines Lächeln.
Nicht unerwähnt bleiben sollten aber die Volten, die Kuzmany noch geschlagen hat, seine irre Hingabe an Gottschalk bis zum finalen Akt. Etwa die quasi päpstliche Audienz mit Selfie:
Ganz unabhängig davon, wie es heute Abend läuft und was danach irgendwer schreibt, sind und bleiben Sie unter den lebenden Fernsehunterhaltern der größte, den dieses Land aufzubieten hat. Niemand sonst hat die Gabe, aus vollkommenen Nebensächlichkeiten große Unterhaltung zu formen, niemand kann so frei und schnell und lustig assoziieren wie Sie in Hochform.
Hammer.
Ich finde das „nicht unlustig“ ja ein bisschen Höchststrafe.
Auch bei „Gottschalk Live“ blieb der Entertainer seinem Ruf treu, sich nicht wirklich ausführlich vorbereiten zu wollen: Den Filmerfolg „Der Schuh des Manitu“ seines Talk-Gastes Michael „Bully“ Herbig verortete Gottschalk mal eben kühn in den Achtzigern. „Das war 2001, Alter!“, rügte Herbig, doch Gottschalk verwandelte den Lapsus sofort in einen selbstironischen Gag: Man habe ihm gesagt, er müsse sich drei Jahreszahlen merken, das habe er auch getan. Nur leider in der falschen Reihenfolge.
Haha. Immer witzig, der Thomas, wenn er sich auf nix vorbereitet.
Kuzmany gibt aber nicht auf – möglicherweise im Gegensatz zu den Zuschauern:
Thomas Gottschalk begann zu jammern. So wie in seinen schlechtesten „Wetten, dass..?“-Sendungen, als er es nicht lassen konnte, auch nur eine Viertelstunde ohne einen Hinweis auf sein fortgeschrittenes Lebensalter zu moderieren, verpasste er nun keine Gelegenheit mehr, auf die schlechten Quoten seiner Sendung einzugehen. Mit Witzen, die nur bitter wirkten, vor allem, wenn er seine junge Redaktion einbezog: Wenn die Sendung eingestellt werde, könne man ja gemeinsam auf Jobsuche gehen. Da konnte der Politikredakteur nur dünn lächeln. Auf den wartet kein Ruhesitz in Malibu.
Die Hoffnung stirb nämlich zuletzt:
Er lieferte die erste „Gottschalk Live“-Sendung ab, die erkennen lässt, dass aus diesem Format noch etwas anderes werden könnte als die traurige Abwicklung einer Showlegende. Und wie vom Himmel geschickt stiegen die Quoten – wenn auch nur leicht: 1,89 Millionen Zuschauer (6,6 Prozent) schalteten ein. Die Probephase ist hoffentlich vorbei.
Danach lief alles auf die Absetzung hinaus.
Und wer ist schuld? Kuzmany sicher nicht. Und Gottschalk auch nicht.
Warum das hier Kommentar genannt wird, die vorhergehenden Artikel allerdings nicht, das wird sich mir nie erschließen. Aber sei es drum:
Wundern muss man sich allerdings nicht darüber, dass diese Sendung kaum jemand sehen wollte – „Gottschalk Live“ war von Anfang an eine traurige Fehlkonstruktion.
Das klang (s.o.) am Anfang anders.
Doch zu all dem hätte es niemals kommen dürfen: Man hätte Thomas Gottschalk niemals diese Sendung moderieren lassen dürfen.
Die Distanz des Journalisten zum Objekt der Berichterstattung – selten war sie kleiner als hier. Und wieder lächle ich.
Ich verrate übrigens nicht, warum ich ausgerechnet heute endlich mal das alles niederschreibe. Ich erinnere mich nur sechs Jahre zurück, an den Blick auf die erste Woche „Gottschalk live“ als Mitbewerber. Ja, auch ich hatte mich von der Vorberichterstattung schwer ins Bockshorn jagen lassen. Aber so wird der Erfahrungsberg von Tag zu Tag größer. Manchmal ist es eine Last.
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