Der vergangene Donnerstag (16.2.) kann als Tag des geschickten politischen Timings in die Geschichte eingehen, denn der CDU/CSU ist es tatsächlich gelungen, an diesem Tag drei Regierungsmitglieder in drei Untersuchungsausschüssen aussagen zu lassen. Das ist deswegen geschickt, weil an einem „normalen“ Nachrichtentag jede einzelne dieser Aussagen die Top-Schlagzeile gewesen wäre. Da es definitionsgemäß nur eine Top-Schlagzeile gibt, tja, da musste man sich entscheiden. Und „natürlich“ für die Aussage von Bundeskanzlerin Merkel vor dem NSA-Untersuchungsausschuss.
Dass hier am allerwenigsten rumkommen würde, das war abzusehen. Der Auftritt der Kanzlerin, die von allem nichts oder viel zu spät gewusst haben will, war ähnlich lähmend wie ihr Auftreten inzwischen Allgemein wahrgenommen wird. Entsprechend auch die Bewertungen in der Presse (Zusammenfassung inforadio rbb). Etwa in der Süddeutschen:
Der NSA-Ausschuss blickt in einen Abgrund von Unwahrhaftigkeit – und der Blick auf den Boden des Abgrunds gelingt nicht, weil die Regierung vieles getan hat, um den Blick zu versperren. Die angebliche Aufklärung der Affäre begann mit der Lüge der Regierung Merkel II, dass man nun dabei sei, ein No-Spy-Abkommen mit den Amerikanern zu schließen, eine Art geheimdienstlichen Nichtangriffspakt. Solche Verhandlungen hat es, wie man heute weiß, nie gegeben.
Heribert Prantl ist sauer:
Man weiß nach diesen vielen Verhandlungstagen nicht, ob man lachen, weinen oder schreien soll.
Na gut, kein Wunder, das schmale schmale Ergebnis. Und schön die Schlagzeilen gemacht. Erfreulich aus Sicht der CDU ist sicher auch, dass das Thema dem gemeinem Wahlvolk ziemlich am Allerwertesten vorbeigeht, Snowden schon lange kein echtes Thema mehr ist und „das machen doch alle“ als Argumentationslinie gut verfängt. Und Merkel hat es geschickt vermieden, irgendeinen Satz wie „geht gar nicht“ loszulassen, den man ihr bei der nächsten Gelegenheit vorhalten könnte. „Glaubwürdiges Dementi“ als Strategie, indem Informationen von der Kanzlerin ferngehalten werden, kennen wir aus „Independece Day“ in Bezug auf den Präsidenten und die Area 51. Punktsieg CDU.
Am gleichen Tag, anderer Untersuchungsausschuss: Alexander Dobrindt darf sich die Welt so malen, wie er will. Im VW-Skandal darf er recht dreist Aussagen treffen wie, dass niemand seinem Ministerium etwas in Sachen tatkräftiger Krisenbewältigung vormachen könne (NOZ-Artikel):
„Keine andere europäische Regierung hat so eine Vielzahl von Messungen veranlasst.“
Tja. Und Konsequenzen daraus?
Dobrindt bekräftigte seine Forderung, die europäischen Vorschriften zu Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung strenger zu fassen.
Das ist das praktische an dieser EU – dass man sie dafür verantwortlich machen kann, nix zu tun. Schließlich ist Deutschland ja auch kein wichtiger Player, der so etwas einbringen und durchdrücken könnte.
Wie absurd der Dobrindt’sche Auftritt war, dazu kommen nur wenige Medien (s.o.) Immerhin die ZEIT:
Dobrindts zunehmend ermüdende Aussagen ließen dennoch tief blicken, wie sehr man all die Jahre im Ministerium im Tiefschlaf schlummerte. Natürlich nahm man auch dort wahr, dass die Autos auf der Straße erheblich mehr Stickoxide ausstoßen als im Labor auf dem Rollenprüfstand. Doch auf die Idee, den Ursachen auf den Grund zu gehen, kam offenkundig keiner. Dobrindts allzu simples Argument: Das KBA arbeitet im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen – darum hätte die Behörde Abschalteinrichtungen, die die Menge des ausgestoßenen Stickoxids verändern, gar nicht erkennen können.
Und:
„… die Kernfrage, ob das KBA die Industrie jahrelang gewähren ließ und frühzeitig von Abschalteinrichtungen hätte wissen können, blieb zu weiten Teilen ausgespart.“
So ist das mit Untersuchungsausschüssen in Zeiten der Großen Koalition. Dass sein peinliches Agieren in diesem Skandal aus den Medien blieb – gutes Timing. Punktsieg CSU.
Und da war dann noch Wolfgang Schäuble, der Dritte im Bunde, der mal erklären sollte, wie Jahrelang Banken dubiose Geschäfte zu Lasten des Steuerzahlers machen konnten. Hier ist schon der Sachverhalt angeblich komplex (wobei Ursache: „Tricks de Banken“ und Wirkung: „Steuervermeidung“ schnell erklärt wären). Schäuble gibt sich arrogant und bissig wie immer, und noch weniger als die ersten beiden des dynamischen Trios geht es auf die Titelseiten.
Der Tagesspiegel rollt die Causa nochmal auf, und da auch Ex-Finanzminister Steinbrück sich in der Angelegenheit kaum mit Ruhm bekleckert hat, dürften die Großkoalitionären Sozis nicht allzu scharf mit Schäuble umgesprungen sein.
So hat es zwar unter Steinbrück bereits 2007 ein Gesetz gegeben, das die Machenschaften verbieten sollte – allerdings galt das nur fürs Inland. Weil viele Banken die umstrittenen Geschäfte jedoch übers Ausland abgewickelt haben, hat das in der Praxis wenig geändert. Manche Banker sollen gar erst durch das Gesetz von 2007 auf die Steuerlücke aufmerksam geworden sein – mit der Folge, dass die Zahl der Cum-Ex-Geschäfte zu- statt abgenommen hat.
Die WiWo mit noch mehr Hintergrund
Richtig viele Artikel zu Schäubles Auftreten vor dem UA habe ich nicht gefunden. Bemerkenswert sicher dieser Dialog laut n-tv:
Nach mehr als anderthalb Stunden Befragung zum größten deutschen Steuerskandal ist Hans-Ulrich Krüger ein wenig erschöpft. „Wünschen Sie eine zehnminütige Erholungspause?“ fragt der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Wolfgang Schäuble. „Nee, ich wünsche ein baldiges Ende!“, witzelt der Finanzminister zurück.
Klar.
Die Methode?
Wo Steinbrück bemüht war, Aktenhinweise auf sein Fehlverhalten zu widerlegen, versucht Schäuble, das Problem zu zerreden. Wo die Abgeordneten konkrete Fragen stellen, kann sich der Finanzminister nicht erinnern oder hält Vorträge über das Grundgesetz.
Er hat ja auch seine Mitarbeiter.
(…) Arnold Ramackers, ein Finanzrichter aus Düsseldorf, der bis 2008 zur Unterstützung ins Berliner Finanzministerium abgeordnet war. Er werkelte auch ab 2010 weiter am Cum-Ex-Gesetz mit, als „fachlich interessierter Staatsbürger“ in Pension, wie er selber sagte – und leitete dabei vertrauliche Entwürfe an Banklobbyisten weiter. Ein Insider warnte das Ministerium sogar vor einem Maulwurf der Cum-Ex-Betrüger im Ministerium. Weder davon noch von Ramackers habe er gewusst, sagt Schäuble.
Und Formulierungen des Bankenverbands finden Eingang ins Gesetz.
Die Sache ist unappetitlich, unangenehm, und die Vorwürfe sind massiv – vor allem auch, weil die staatlich gerettete Commerzbank mit im Spiel ist. Eigentlich ist Schäuble an diesem Tag der, der am meisten unter Druck stehen müsste. Doch weil Finanzen irgendwie „igitt“ und „kompliziert“ sind, fällt das Thema nicht nur ein bisschen unter den berühmten Tisch. Punktsieg CDU.
Und in der Zusammenschau war das ein eigentlich schwarzer Tag für CDU/CSU. Was da offenbar wird, ist die Tatsache, dass diese Regierung auf so manchem Feld schlecht aussieht. Aber die Strategen haben sicher gedacht a. „Augen zu und durch“ und b. „lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“. Die Ausschüsse dürfen jetzt noch ihre Abschlussberichte schreiben, und das war es. An diesem Tag haben die Taktiker der Unionsparteien alles richtig gemacht, es war dann doch ein richtig guter Tag für die CDU. Ein Tag mit etwas schlechten Schlagzeilen ist besser als drei Tage damit. Und zum Glück gibt es ja noch das G20-Treffen, die Pressekonferenz von Herrn Trump, Herr Trump und seine Tweets, und Herr Trump im Allgemeinen. So kann es weitergehen, wird man sich da denken …