Diamond AgeEs hat ja ziemlich gedauert, aber Ende vergangenen Jahres habe ich dann auch DIAMOND AGE durchgeschmökert. Natürlich ist es schöner, wenn man auf Dienstreisen mal am Stück lesen kann, aber es ging auch so am Ende. Ich bin wieder einmal von der Fabulierkunst beeindruckt, von der schönen Alice-in-Wonderland Variante, als ein Buch zum Lehrmeister eines Mädchens wird. Sagenhafte Geschichten, umgeben von einer durch Nanotechnologie und Kleinstaaterei geprägten Welt. Was mir immer gut gefällt ist die Tatsache, dass technische Entwicklungen gleichzeitig die Gesellschaft verändern – vielleicht in etwas übertriebener Art und Weise, aber normalerweise werden derartige Rückkopplungen ja eher unterschätzt. Gegen Ende zerfasert das Buch (mal wieder), Stephenson erweckt den Eindruck, er hätte noch hunderte Seiten weiterschreiben können, aber irgend ein Lektor wird ein „gut jetzt“ eingeworfen haben. Sehr schön, wenn auch verwirrend und manchmal verstörend und leider unrund.

American GodsDanach zu Neil Gaiman (immerhin habe ich mir AMERICAN GODS schon zum 40ten schenken lassen). Irgendein Klappentextlyriker hat „Neil Gaiman meets Stephen King“ geschrieben, und das ist so falsch nicht. Denn beide sind formulierungsstarke Phantasten, doch bei Gaiman kommt zum doppeltend Boden immer noch mindestens eine Ebene hinzu. Allerdings finde ich das Konzept „Es gibt Götter, so lange jemand an sie glaubt, und ihre Macht richtet sich nach dem Grad des Glaubens“ inzwischen mehr als nur ein bisschen ausgelutscht.  Wie stark allerdings Gaiman schreiben kann, das zeigt sich vor allem im Mittelteil, als Shadow in Lakeside so etwas wie Ruhe findet. Er beschreibt die Költe so plastisch dass einen beim Lesen fröstelt. Das muss man erstmal hinbekommen.

Für mich wieder mal aufschlussreich die Danksagungen am Ende, die zeigen, dass es sich bei solch guten Büchern mitnichten um genialische „Würfe“ handelt, sondern sie Produkt handwerklicher Arbeit mit zahlreichen Überarbeitungsschritten sind. Der Autor ist dabei das Zentrum eines Teams, das ihn immer wieder durch Anmerkungen und Gegenlesen herausfordert. Kein „ich setz mich an den Rechner und hacke 1000 Seiten runter“, nein: journalistische Recherche und akribische Arbeit an Hintergründen. Jepp.