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Von 1998 bis 2005 gab es in Deutschland eine Rot-grüne Bundesregierung. Weiß kaum noch jemand, ist aber so. Seitdem hat sich viel getan: die SPD hat durch die Einnahme von viel Groko abgenommen, die Grünen sind Umfragenkönige und werden allgemein mit dem Begriff Zukunft assoziiert. Da beide zusammen mal als Alternative für eine Bundesregierung galten nur ein paar kurze Schnipsel zum Zustand der beiden Parteien.

Grüne und Wissenschaft

In Bayern will die CSU für 400.000 Euro untersuchen lassen, ob Zuckerkügelchen nicht vielleicht doch toll gegen multiresistente Keime wären. Fröhlich mit dabei: die Grünen.

Die Partei ist eh zerrissen: in der Klimafrage rufen alle „Hört auf die Wissenschaft“, im Bereich esoterischer Medizin dagegen ist Wissenschaft weniger gefragt. Eine Auseinandersetzung über diesen Widerspruch hat man für den kommenden Parteitag vermieden, wenn man nicht mehr weiter weiß, dann gibt’s eben einen Arbeitskreis. Und ich wage es auch kaum, den überwiegenden Konsens bei der so genannten Gentechnik unter den Wissenschaftlern zu erwähnen, dass hier sehr große Chancen liegen, auch angesichts des Klimawandels.

SPD und Verbraucherschutz

Einigermaßen fassungslos lässt mich die neue Justizministerin zurück. In entwaffnender Offenheit räumt sie im Falle der Thomas Cook-Pleite, bei der die meisten Kunden ihr Geld nicht vollständig wiederbekommen werden einen fatalen Mangel an Vorstellungskraft und Willen zum Verbraucherschutz ein:

Lambrecht wies zudem ein Versagen der Bundesregierung im Rahmen der Pleite von Thomas Cook in Deutschland zurück. „Ich glaube, man konnte zum Zeitpunkt der Richtlinienumsetzung nicht absehen, dass es tatsächlich zu einem Schadensfall dieser Dimension kommen wird.“

https://www.n-tv.de/politik/Lambrecht-denkt-an-Pauschalreisen-Abgabe-article21378790.html

Glauben kann man viel, dann müsste man aber auch darlegen, warum Großbritannien, nach allem was ich lese, absehen konnte oder zumindest einfach die EU-Richtlinie zum Schutz von Verbrauchern 1:1 umgesetzt hat. Mehr dazu hier.

Rot-grün und Hartz IV

Ach naja, und da ist da noch das Bundesverfassungsgericht zum Thema Kürzung von Hartz IV. Eine schallende Ohrfeige für die SPD von Schröder, Clement, Müntefering. Dem Beginn vom Abstieg.

Btw: Wirklich veröffentlicht und in Kraft getreten am 24.12.2003? Heiligabend? „Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003“ sagt die Wikipedia.

Übrigens war da Olaf Scholz im Parteivorstand und Generalsekretär der SPD. Frank-Walter Steinmeier war Chef des Bundeskanzleramts.

Allerdings zeigt die BILD aktuell mal wieder, in welcher vergifteten gesellschaftlichen Atmosphäre solche Sanktionen (grundgesetzwidrig, Verstoß gegen Artikel 1: Menschenwürde) hoffähig wurden.

Scrrensho 9.11.19t: https://www.bild.de/bild-plus/news/inland/news-inland/kaum-noch-sanktionen-deutschlands-faulster-arbeitsloser-hartz-iv-auf-dem-silbert-65867524,view=conversionToLogin.bild.html

Jede Gelegenheit, an der Höhe und der Willkür bei den Sanktionen etwas zu ändern, wurde verpasst. Die SPD hätte ihr Gesicht retten können. Sie hat es nicht getan.

Die Grünen sollen aber mal ganz schön ruhig sein: Wirtschaft, Finanzen und Soziales, für die Grünen so was wie Gedöns, haben sie brav der SPD überlassen, auch die katastrophale Unternehmenssteuerreform, auch das Senken der Spitzensteuersätze. Damals schon hätte man den Soli da einarbeiten können, dann würde man sich heute das Geschrei sparen.

Der Postillion bringt es ganz schön auf den Punkt:

https://www.der-postillon.com/2019/11/goering-eckardt.html

Als Schröder die Hartz-Gesetze durch die rot-grüne Koalition prügelte, konnte er sich fest auf die Fraktionschefin des kleinen Koalitionspartners verlassen. Sie sorgte dafür, dass die Grünen-Kritiker auf Linie gebracht und die umstrittenen Reformen mit den Stimmen der Grünen beschlossen werden konnten. Sie selbst schwärmte von einem „Frühling der Erneuerung“. Die Agenda 2010 sei „mutig“ und „notwendig für das Gemeinwohl“.
Dass die Jobcenter den Hartz-IV-Empfängern künftig Leistungskürzungen androhen konnten, nannte sie ein „Bewegungsangebot“ an die Betroffenen

https://www.welt.de/politik/deutschland/article110906606/Ein-seltsames-Paar-fuer-den-gruenen-Wahlkampf.html

Spitzenpersonal am Ende der Karriereleiter

Schon bei Andrea Nahles hatte ich das Gefühl, dass sie sich als SPD-Vorsitzende und als Arbeitsministerin am Ziel aller Träume und Wünsche befand. Bei Heiko Maas bin ich mir fast sicher, dass für ihn so etwas wie eine Zukunft für die SPD keine echte Rolle mehr spielt, weil er Außenminister spielen darf. Und Bei Frank-Walter Steinmeier? Mehr als Bundespräsident geht ja nicht, also dann: Egal, SPD.

Und dann kommen auch noch solche Sachen:

Bundespräsident warnt Klimaaktivisten vor Schlechtreden der Demokratie

Allerdings sei es keine Lösung, Menschen mit Untergangsszenarien zu ängstigen: „Wir kommen aber nicht weiter, wenn wir jede Woche apokalyptische Bedrohungen beschreiben, die kaum zu bewältigen scheinen. Denn Apokalypse lähmt! Und – absichtlich oder nicht – dadurch werden die Möglichkeiten der Demokratie immer kleiner geredet.“

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-11/frank-walter-steinmeier-demokratie-klimaaktivisten-apokalypse

Das ist in mehr als einer Beziehung witzig. Ddie Klima-Aktivisten machen ihren Job seit etwa neun Monaten ganz gut. Die Deutsche Industrie ist mit ihrem Schwarzmalen dagegen seit Jahrzehnten unterwegs und sehr erfolgreich dabei. Aktuell wieder der BDI und INSM

25.10.19
4.6.19
25.9.2018
25.9.2017

[Beim Kampfbegriff der „Sozialen Wohltat“ schwillt mir übrigens der Hals. Und was anderes als eine Gieskanne wäre die komplette Soli-Abschaffung gewesen? Wäre das eine „asoziale Wohltat“? Und komme mir keiner mit „Gerechtigkeit“ und „Verlässlichkeit“. Ich bin btw für die komplette Soli-Abschaffung, wenn gleichzeitig zu den alten Steuersätzen bei der Einführung des Soli zurückgekehrt würde.]

Industrie- und Wirtschaftslobbyisten beschwören immer den Untergang der deutschen Wirtschaft – ich kann nicht sehen, dass sie jemals von einem Bundespräsidenten so in die Schranken gewiesen wurden. Seit vierzig Jahren wird die Apokalypse beschworen, zumeist auch so, dass „die Politik“ darauf hört.

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