Es gab eine Zeit, da waren Verschwörungstheorien etwas für Nischenverlage, Kleinauflagen oder Matritzendrucker. Da wurde man noch nicht merkwürdig angesehen, wenn man davon überzeugt war, dass ein Mensch auf dem Mond gelandet ist oder John F. Kennedy von Lee Harvey Oswald erschossen wurde.

Doch in den 70er Jahren zerbrachen die Gewissheiten, denn Watergate stellte auf einmal das öffentliche Bewusstsein vom öffentlichen Staat und aufrechten Politikern in Frage. Es begann eine Entwicklung, die bis heute fortdauert und zu einer Kultur des Skeptizismus geführt hat, bei der Nichts und Niemand mehr außer Frage steht.

Für das Zeitalter der Verschwörungstheorien hat vielleicht niemand so viel getan wie Robert Anton Wilson und seine mit Robert Shea verfasste ILLUMINATUS-Theorie – ein später Epigone ist dann vielleicht Dan Brown mit SAKRILEG und ILLUMINATI – die Verschwörung ist in der Massenkultur mehr als nur angekommen.

Doch für seine Zeit und sicherlich auch noch für ein Jahrzehnt danach hat ILLUMINATUS selbst diejenigen fasziniert, die das Ringen um objektive Tatsachen noch nicht aufgegeben haben. Wenn die Weltgeschichte eine Geschichte der Verschwörungen ist, dann hat ILLUMINATUS viel dazu getan, das Ganze dann auch wieder vom hohen Roß zu holen.
Ganz sicher spielt dabei eine Rolle, dass hier Geschichten und Geschichtchen virtuos erzählt werden, hinter dem ganzen Konzept aber eine umfassende Bildung und eine Vielzahl von Erkenntnissen steckt – über die menschliche Natur und die Art und Weise, wie Geschichte geschrieben wird.
R.A. Wilson hat das Genre niemals losgelassen. Die Trilogie SCHRÖDIGERS KATZE ist ein würdiger Nachfolger, die ILLUMINATI-CHRONICLES dann vielleicht schon nicht mehr so. Der erstaunliche Erfolg des merkwürdigen H.P. Lovecraft hat sicher auch etwas damit zu tun, dass Wilson dessen Mythos in seine undurchsichtige und doch so einleuchtende Welt ebenso einpflegte wie so viele andere Fragmente der phantastischen Literatur.
Die philosophische Frage, wie das menschliche Bewußtsein funktioniert und wie sich unser Weltbild zusammensetzt, das sind die Grundfragen. Heil Discordia, Wilson hat die Kultur der Nerds ganz wesentlich beeinflusst und ihrem trockenen technischen Verstand das intellektuelle Futter zugeführt, das die Relativitätstheorie mit saftigen Sex-Szenen verband.
Vielleicht ist Neal Stephenson mit seinen verstörend kenntnisreichen und fabulierungskräftigen Romanen ebenfalls so etwas wie ein Nachfolger – sicher ein würdigerer als Brown. Auf jeden Fall prägte Wilson die Nach-Hippie-Ära der Ernüchterung, als das Wassermannzeitalter sich als verlogen, hinterhältig und gemein präsentierte. Als US-Präsidenten mit Mullahs paktierten um Contras zu finanzieren, als die Liste der Skandale und Skandälchen in jeder US-Präsidentschaft immer länger wurde.
Wäre die Welt gerecht, dann wüßte jedes literaturinteressierte Kind, dass Wilson einer der wichtigsten und prägendsten US-amerikanischen Autoren der letzten dreißig Jahre war. Aber: sie ist es nicht.
Robert Anton Wilson starb am 11. Januar 2007. In seinem bis zuletzt gepflegten Weblog läßt sich die Geschichte seiner Krankheit und seine Unerschrockenheit im Angesicht des Todes nachlesen.

Aus seinem Blog:
Wavy Gravy once asked a Zen Roshi, „What happens after death?“

The Roshi replied, „I don’t know.“

Wavy protested, „But you’re a Zen Master!“

„Yes,“ the Roshi admitted, „but I’m not a dead Zen Master.“

 

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http://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Anton_Wilson
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