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Hier meine Lesezeichen der Woche.

Baidaa, Maria und der SPIEGEL

Beim SPIEGEL gab es Probleme mit der Berichterstattung zu einer Flüchtlingsgeschichte aus dem vergangenen Jahr, die vor allem rund um den Tod eines Mädchens namens Maria gebaut wurde. Und in der unübersichtlichen Gemengelage an der türkisch-griechischen Grenze versuchte klare Antworten zu geben – was am Ende auf ganzer Linie gescheitert ist.

Nach dem Relotius-Vorgang gibt der Spiegel an, solche Dinge aufzuarbeiten. Aber ganz ehrlich, was das Blatt und die Online-Seite als „Aufklärung“ verkaufen will ist wortreiches vernebeln – klare Ansagen, Recherche, Benennung von Verantwortung bleiben außen vor. Der Text dazu ist lang und übrschrieben mit „Der Fall Maria – Die Aufarbeitung“. Hördauer: 30 Minuten. Auszug:

In einem Videocall zwischen »HumanRights360«, dem SPIEGEL-Mann und Baidaa S., von dem es Screenshots gibt, zeigt die Syrerin über ihre Handykamera den langen Strand der Insel, auf der sie festsitzt. Dieser passt – wie unsere nachträgliche Auswertung ergab – nicht zu den Geodaten, die die NGOs an den ECHR durchgegeben haben. Auch die Metadaten mehrerer Selfies von Baidaa S. zeigen, dass die Syrerin nicht auf der Kissari-Insel sein kann, deren Koordinaten dem Europäischen Gerichtshof durchgegeben worden sind. Der tatsächliche Standort liegt knapp vier Kilometer südwestlich auf einer Insel, die laut Googlemaps, aber auch dem türkischen und griechischen Grundbuchamt zufolge, türkisch ist. Aktuellen Satellitenbildern zufolge weist sie einen großen Sandstrand auf, wie ihn Baidaa S. im Videocall zeigt – anders als die Kissari-Insel. Es gibt zudem Videos und weitere Hinweise, dass sich Baidaa S. seit mehreren Tagen auf der südlichen Insel befindet, von der alle Beteiligten annehmen müssen, dass sie türkisch ist.

https://www.spiegel.de/backstage/debatte-ueber-fluechtlingsberichterstattung-des-spiegel-der-fall-maria-a-60436ed1-a07d-4288-88bf-baa530bf0ef3

Es ist die Rolle von Baidaa S., die in dem ganzen langen Artikel nicht wirklich geklärt wird, stattdessen wird akribisch von Grundbuchämtern und anderer Bürokratie geredet. Baidaa ist aber die Kronzeugin aller Vorgänge, die berichtet und „nachrecherchiert“ wurden.

Ein bisschen zugespitzt wurde dann der Artikel, räumt der Spiegel schaumgebremst ein:

Ein Mitglied der Auslandsressortleitung übersetzt, redigiert und ergänzt den Text und wird als Co-Autor über dem Artikel stehen. Während in der englischen Originalfassung an mehreren Stellen vorsichtig im Konjunktiv über den Tod des Kindes berichtet wurde (»She is reported dead«, »the group says, Maria died«), steht in der deutschen Version am Ende alles im Indikativ.

ebd.

Die NZZ hat sich der PErsonalie Baidaa S. angenommen. Dankenswerterweise. Auch wenn Stefan Niggemeier Teile des Artikels polemisch findet: ich finde ihn nachvollziehbarer und klarer als die „Aufarbeitung“ des Spiegel.

Weshalb war Baidaa S.‘ Name nicht auf der Liste, welche die Flüchtlinge an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof geschickt haben? Wie konnte sie als Asylsuchende einfach aus Griechenland ausreisen? War sie im Sommer 2022 überhaupt noch ein Flüchtling, oder spielte sie den Medien etwas vor? Stattdessen erfährt man fast nebenbei, dass Baidaa S. «inzwischen in Rheinland-Pfalz» lebt. Sie habe kurz nach ihrem Aufenthalt in Drama ein Video gepostet von einem Flugzeug, das in Athen gestartet sei – mit der Botschaft, sie sei «nach langem Kampf» in Deutschland angekommen. «Seither» poste sie viel auf ihren Tiktok- und Instagram-Kanälen, wo ihr mehr als 24 000 Menschen folgten.

https://www.nzz.ch/feuilleton/der-spiegel-fluechtlinge-evros-fake-news-ld.1721387?mktcid=smch&mktcid=smch&mktcval=twpost_20-01-2023&mktcval=twpost_2023-01-20

Es bleibt – schwierig, anscheinend, für Journalisten über Sachverhalte auch dann kritisch zu berichten, wenn man sie selbst klar in sein eigenes Weltbild einarbeiten kann.

Inflation

Wenn die Inflation weniger durch eine Lohn-Preis-Spirale denn durch eine Profit-Preis-Spirale getrieben wird, dann stößt die Zinspolitik der Währungshüter an deutliche Grenzen. Es gilt jetzt in der Berichtssaison die Zahlen genau zu checken. Ohne Paywall jetzt der Artikel von André Kühnlenz dazu. Man folge ihm auf Twitter.

Tatsächlich muss die US-Wirtschaft seit der Pandemie also gar keine Lohn-Preis-Spirale fürchten, sondern eine Profit-Preis-Spirale: Die steigenden Löhne passen sich dagegen an die operativen Gewinne an. Dies könnte also erklären, warum der US-Arbeitsmarkt entgegen dem Ziel der Notenbank bisher kaum abkühlt. Die Unternehmen können die höheren Zinsen viel besser verkraften, weil sie die steigenden Kosten wie die für Energie an ihre Kunden weitergeben und so ihre Margen stabil halten.

https://www.fuw.ch/in-der-profit-preis-spirale-gefangen-424686357644

Blockchain

Wenn schon das mit den Kryptowährungen nicht so doll ist, dann ist Blockchain dorch die Lösung anderer Probleme.

Nein.

Maersk and IBM last month shut down their global platform that was supposed to bring blockchain to the shipping industry. Other big bets are moving slowly

https://www.wsj.com/articles/blockchain-fails-to-gain-traction-in-the-enterprise-11671057528?utm_source=pocket_reader

Titel des Artikels: Blockchain Fails to Gain Traction in the Enterprise.

Video der Woche

Tweet der Woche

https://twitter.com/fasc1nate/status/1616787740908994560?s=20

Foto von Teddy O auf Unsplash