Am 25. Juli 2017 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein „aufklärerischer“ Text zur Deutschen Umwelthilfe, die allen voran die Aufarbeitung des Diesel-Skandals vor sich hertreibt und ein Interesse daran hat, dass die gesetzlichen Grenzwerte zur Luftreinhaltung auch eingehalten werden. Dieser Text hat viele Kolleginnen und Kollegen schwer beeindruckt, der Tenor: Ei Padauz, diese Saubermänner in Sachen Umweltschutzt sind anscheinend selber nicht ganz sauber.

Mich dagegen hat dieser Artikel nicht sehr beeindruckt. Die unterschwellige Botschaft, dass da irgendwelche dahergelaufenen Umweltschutzfanatiker unsere schöne Automobildinstrie kaputt machen wollen, irritiert mich sehr – mit irgendwelchen Scoops zum Thema Abgasbetrug ist mir davor die FAZ nicht aufgefallen. Der Verdacht, es handele sich um eine weitere Verteidigungsschrift der deutschen Automobilindustrie liegt nahe.

Mächtiger Verband

Zu Beginn wird ersteinmal klargestellt, wie sehr der FAZ-Autor davon irritiert ist, dass auch das grün regierte Baden-Württemberg von der DUH verklagt wird. Ich fände es viel skandalöser, wenn gerade dieses Bundesland aufgrund der Parteizugehörigkeit seines Ministerpräsidenten von der DUH geschont wird. Rüdiger Soldt stellt dann fest:

Der Umwelthilfe ist es seit Jahrzehnten egal, was ihre Forderungen für Arbeitsplätze oder die Weiterentwicklung einer Technologie bedeuten; sie führt einen regelrechten Kreuzzug gegen den Diesel-Motor. Wenn VW die Abgaswerte seiner Diesel-Motoren mit einem Software-Update endlich verbessert, klagt der Verein gegen die KfZ-Zulassungsstellen, weil ihrer Auffassung nach die Typzulassung damit unzulässig wird.

Wie toll dieses Update ist, das hören wir aus dem Bundesumweltministerium, und die Behörden in den USA lassen sich mit einem einfachen Patch schon gar nicht abspeisen. Aber warum soll das einer Organisation, die für Umweltschutz eintritt, nicht auch egal sein können? Der Autoindustrie scheint ja auch egal, dass ihre Schummeleien das Ansehen aller deutschen Industriezweige schwer beschädigt.

Anschließend wird geraunt „Mächtiger als ein Landesparlament“ und die These aufgestellt, die DUH sei politisch stärker als Parlamente und habe erreicht

Die Frage, welche Zukunft bestimmte Fahrzeugtechnologien haben sollten, wird inzwischen nicht mehr abschließend in den Parlamenten, an den Kabinettstischen oder in Konzernzentralen verhandelt, sondern oft vor Gericht.

Ja. Aber was kommt vor Gericht? Verfahren aufgrund von Gesetzen oder Verordnungen, die vorher Regierungen und Parlamente beschlossen haben. Das demokratische Prinzip wird doch nicht dadurch ausgehöhlt, dass es Verbände gibt, die auf die Einhaltung von Vorschriften dringen und das dann auch vor Gericht durchsetzen? Welches Rechtsstatsverständnis dringt da durch? Vielleicht „Okay, es mag Gesetze geben, aber wenn man sich nicht daran hält, dann ist das halt so.“ Das mag jahrzehntelang gut gegangen sein, aber dann kommen Spielverderber daher, die das, was Politiker beschließen, auch wirklich umgesetzt sehen wollen.

Wie konnte die Umwelthilfe zu einer Organisation werden, die heute mehr Wirkungsmacht hat als manch ein Landesparlament oder manch ein Landesminister?

Oho, da wird der kleinen DUH aber mächtig was zugetraut, auf der anderen Seite könnte es aber auch daran liegen, dass in unserem Föderalismus tatsächlich Landesparlamente und Landesminister außerhalb von Etathohheit und Bildung wenig zu melden haben (Stichwort Föderalismusreform, aber das wäre jetzt wieder eine ganz andere Diskussion).

Finanzierung

Es ist klar, dass ein Blick in das Finanzierungsmodell der DUH nötig ist. Das macht dann Soldt, und entdeckt anscheinend etwas völlig unmoralisches: die DUH mahnt Autohändler ab, die sich nicht an die Kennzeichnungsrichtlinien zum Bezinverbrauch beim Verkauf von Fahrzeugen halten, etwa die Angabe der Kennzahlen in Anzeigen oder im Verkaufsraum.

Wenn bei einem Autohändler ein Fahrzeug steht, dessen Energieverbrauchskennzeichnung nicht korrekt angebracht ist, verlangt die Umwelthilfe von dem Händler die Unterlassung der unzureichenden Kennzeichnung. Wenn der Händler die Unterlassungsverpflichtung eingeht, muss er zugleich versprechen, bei jeder abermaligen Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung eine Vertragsstrafe zu bezahlen.

Der Autor spricht von armen kleinen Händlern und der Gemeinheit, hier für „Nachlässigkeiten“ abgemahnt zu werden. Ein Anwalt zum Vorgehen der DUH:

Da die Kosten, die die Deutsche Umwelthilfe mit einer Abmahnung geltend macht, nicht so hoch sind, werden viele Betroffene, häufig Auto- oder Immobilienhändler, dazu verleitet, die geforderte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und das Geld zu bezahlen.

Stimmt. Da hier ein Verband abmahnt, sind die Kosten gedeckelt, es geht um maximal ein paar hundert Euro. Würde ein Konkurrent abmahnen und dazu einen Anwalt wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht einschalten, dann wäre das sehr viel teurer.

Angeblich beginnt dann das große Geldverdienen der DUH, indem nämlich Verstöße gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung die vereinbarten Vertragsstrafen auslösen. Der Anwalt klagt:

Je nach der versprochenen Höhe kann dann eine Zahlung in Höhe von 7500 Euro oder auch 10.000 Euro zu leisten sein. Liegen mehrere parallele Verstöße vor, dann vervielfacht sich manchmal die Vertragsstrafe.

Tja, tatsächlich, das ist wahrscheinlich sehr ärgerlich.

Böse Abmahner

Was mich daran wirklich ankotzt ist die Tatsache, dass dies von Seiten der Musikindustrie gegenüber zigzehntausenden Bürgern in Deutschland gar nicht anders gehandhabt wurde, sich Agenturen wie „Pro Media“ und Anwälte eine goldene Nase verdient haben, und ich nicht einen Artikel in der FAZ gefunden habe, der sich auch nur annähernd in gleicher Weise über das Abmahnungwesen echauffierte. Meine Suche. Und dort waren die Zielpersonen einfache Nutzer, die keine Ahnung davon hatten, dass sie in Musiktauschbörsen auch Anbieter werden. Und die dort aufgerufenen Summen waren häufig immens. Und der Autohändler ist ja wenigstens noch gewerblich tätig.

Die DUH ist also moralisch nicht schlimmer zu beurteilen als die von der FAZ „Kreativindustrie“ genannte Branche.

Und bei Zahlen werde ich ja stutzig:

Im Jahr 2014 nahm die Umwelthilfe mit den Verbandsklagen 2,32 Millionen Euro ein, das waren 1265 Abmahnungen und 438 Gerichtsverfahren – insgesamt ein Drittel des Etats.

Teilen wir nun 2,32 Mio Euro durch 1265 kommen wir auf: 1.833,99 EUR.

Die Zahl findet sich im Geschäftsbericht:

Screenshot 25.8.17

Es folgen im Artikel Zahlen zu 2015:

Auch 2015 kamen 30 Prozent der insgesamt 8,1 Millionen Euro aus dem Bereich „Verbraucherschutz“. Die „Beiträge von Förderern und Paten“ betrugen dagegen nur 2,1 Prozent.

Man unterschlägt dann mal einfach die „Spenden“. So ist das halt.

Die FAZ stellt dann fest:

Viel mehr Geld bekommt die Umwelthilfe von Bündnispartnern aus der Wirtschaft, die sie sich für umweltpolitische Kampagnen sucht. (..)

So neutral und wirtschaftskritisch, wie sich die Umwelthilfe häufig geriert, ist sie bei der Partnerauswahl also nicht.

Was der FAZ nicht in den Sinn will: anscheinend ist die DUH gar kein Kapitalismus- oder grundsätzlicher Gegner der Automobilindustrie. Sondern ein Umweltverband. Den Pauschalvorwurf der Wirtschaftszerstörung hat ja erst die FAZ erhoben, nicht die DUH in ihrer Satzung stehen.

Dieses grundsätzliche Missverständnis trieft dem Artikel aus fast jedem Satz:

Für ihre Arbeit, die sich häufig gegen deutsche Regierungen und Kommunen richtet, wird sie sogar noch von der Europäischen Union gefördert.

Mein lieber Mann, wer also auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften dringt, der macht Arbeit, die sich gegen deutsche Regierungen und Kommunen richtet. Das gilt dann wahrscheinlich auch für die Arbeit etwa der Rechnungshöfe, die, von der FAZ regelmäßig hochgelobt, Kritik an den Ausgaben von Ländern und Gemeinden üben. Bezeichnet die FAZ auch das als „Arbeit, die sich häufig gegen deutsche Regierungen und Kommunen richtet“?

Es folgt die Wiedergabe von Mimimi aus Politik und Wirtschaft über Jürgen Resch.

Fast alle Politiker sagen, dass es einfacher gewesen sei, mit dem Verband zu reden, als Rainer Baake, ein Staatssekretär im Bundesumweltministerium, noch Geschäftsführer der Umwelthilfe gewesen sei.

Das ist die Sehnsucht nach Geküngel, die viel über das Politikverständnis der FAZ und der nicht namentlich genannten Politiker aussagt.

Immerhin wird Resch mal zitiert, und der Satz geht fast unter:

„Wir versuchen, zu erreichen, dass die Gesetze nicht nur auf dem Papier stehen.“

Das kann man jetzt, wie die FAZ, blöd finden.

Addendum: in der ZEIT gibt es ein Resch-Portrait (Z+) Hier erfährt man, dass die Autoindustrie in Sachen Unterlassungserklärung (aka Abmahnung) auch gerne unterwegs ist, wenn es um die DUH geht:

Als Resch in Interviews über die „kriminelle Energie“ der Autoindustrie sprach, setzte VW seine Anwälte in Marsch: Die verlangten 250.000 Euro Ordnungsgeld, oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, falls er den Vorwurf wiederhole. Daimler schickte einen Brief mit einer ähnlichen Drohung und wollte 250.000 Euro allein für den Fall, dass Resch aus diesem öffentlich vorlese. Weil das gegen das Briefgeheimnis verstoße.

Er trägt dabei hohe finanzielle Risiken. Erst vor wenigen Tagen lehnte der Bundesgerichtshof eine von BASF unterstützte Klage des Plastiktütenherstellers Victor ab. 2,7 Millionen Euro hatte dieser gefordert, als Schadensersatz, weil die DUH bekannt gemacht hatte, dass seine „Bioplastiktüten“ nicht umweltfreundlicher als herkömmliche Tüten sind. Auch das darf nun weiter gesagt werden.

Andere Angriffe finden jenseits der Gerichte statt: Während des VW-Skandals wurde Reschs privater Rechner gehackt und auch die Website der DUH. Sogar Morddrohungen wurden auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. „Unsere Gegner versuchen, uns einzuschüchtern“, sagt Resch.

Mal sehen, welche Sichtweise auf die DUH die Journalisten heute einnehmen.