Aus rein formalen Gründen hat das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel in Berlin gekippt. Klar, dass die Hipster-Blase das nicht ganz so gut findet. Hier mal ein paar von mir zusammengetragene Beobachtungen und Informationen dazu. Und auch, weil es sich am Thema gerade anbietet, Anmerkungen nicht grundsätzlicher aber dennoch nicht banaler Art zum Thema gendern (durch Aktivist:innen und Medienmacher:innen.) (Ich finde den Doppelpunkt weniger brachial beim Lesen und Schreiben, ich müsste mir mal den mittigen einzelnen Punkt auf die Tastatur legen).

Zunächst mal ein paar Fun-Facts.

Fun-Fact 1: Diepgen ist nicht schuld

Für die Wohnungsmisere will man ja gerne jemanden verantwortlich machen. Dabei kommt auch der CDU-Bürgermeister Diepgen (OB von 84-89, dann von 1992 bis 2001) ins Spiel, der ja angeblich mal für mehr Wohnungen hätte sorgen sollen. Das Fazit der 90er-Jahr, Quelle Berliner MieterGemeinschaft:

Kurz: Anzahl Bevölkerung runter, Anzahl Wohnungen, rauf.

Selbst die sehr kritische Initiative muss einräumen:

In den 90er Jahren dominierten zwei Tendenzen: zum einen der Neubau von Wohnungen, der das Angebot stark erhöht hat, und zum anderen die Liberalisierung, in deren Folge öffentliche Wohnungsbaugesellschaften finanziell ausbluteten und landeseigene Wohnungen privatisiert wurden. Trotz der entschieden liberalen Absichten der politischen Akteure beschränkte sich allerdings die Privatisierung auf 85.000 Wohnungen. Der verbleibende Teil von knapp 400.000 Wohnungen bildete immerhin noch ein Potenzial, mit dem eine politische Steuerung des Markts möglich gewesen war.

Negative Folgen der Privatisierung blieben zudem aus, weil das Angebot stark ausgeweitet wurde.

ebd.

Fun Fact 2: Linke Politik ist nicht die Rettung

Deutschland ist das einzige Land, das seine öffentlichen Wohnungsbestände an Finanzinvestoren verkauft hat. Die rot-rote Koalition stellt die Landesregierung, die den Rekord im Verkauf von landeseigenen Wohnungen hält und zugleich am wenigsten deswegen ins Gerede gekommen ist

https://www.bmgev.de/politik/wohnungspolitik/berliner-wohnungspolitik-die-rot-rote-koalition/

Arm aber sexy? Wowereit holt Sarrazin. Eher nicht so clever.

Thilo Sarrazin wird selbst nicht geglaubt haben, dass er zum Politiker taugt, als ihm Klaus Wowereit 2002 das Amt des Berliner Finanzsenators anbot. Bis dahin war er immer nur SPD-Spitzenpolitikern als höherer Beamter dienstbar gewesen. Es muss ihn verwundert haben, wie leicht in dieser Stadt als seriöse Finanzpolitik gilt, was nur banaler Verkauf öffentlichen Vermögens und Streichung von Sozialleistungen ist. Mit dem Hinweis auf leere Haushaltskassen ließ sich 2004 die GSW ca. 25% unter Wert an Cerberus verkaufen, sogar mit dem Beifall der Medien.

Kann man ihm seine zynischen Sprüche vorwerfen? Drückt sich darin nicht seine Verachtung für ein politisches Milieu aus, dem sich der mit magna cum laude promovierte Volkswirt weit überlegen dünkte? Nicht zu Unrecht, denn weder die Verwicklung in die Tempodrom-Affäre, die seinem Kollegen Strieder das Amt kostete, noch seine 46 Nebentätigkeiten brachten ihm den geringsten politischen Nachteil. Im Gegenteil, seine clownesken Darbietungen wurden parteiübergreifend als Kult gehandelt.

ebd.

In den 90er Jahren (s. oben) wurden Jährlich zwischen 9.000 und über 20.000 Wohnungsbauten genehmigt.

ebd.

Halten wir doch mal ganz einfach fest: rot-rot ist massiv für den Zustand und vor allem die Eigentümerstruktur der Mietwohnungen in Berlin verantwortlich. SPD und DIE LINKE. In dem Artikel von 2009 heißt es klar:

Es gab seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs keine Regierung in der Stadt, die so sträflich den Wohnungsbau vernachlässigt hat wie diese Koalition. Es gab keine Regierung, die so ausschließlich die besser verdienenden Mittelschichten und ihr neuestes Idol, die Baugruppen, ins Zentrum ihres politischen Denkens gestellt hat wie diese Koalition, und es gab keine Regierung, die so gnadenlos, die Marktentwicklung und die Bedürfnisse der wirtschaftlich schwachen Schichten ignoriert hat.
Es muss mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Wäre in der ersten Hälfte der 90er Jahre nicht ein ausreichendes Wohnungsangebot geschaffen worden und dadurch der Markt halbwegs entspannt gewesen, hätten wir schon längst das, was diese Koalition mit Sicherheit in zwei Jahren als Erbe hinterlassen wird: eine Wohnungsnot.

https://www.bmgev.de/politik/wohnungspolitik/berliner-wohnungspolitik-die-rot-rote-koalition/

Jetzt aber: links!

Schwamm drüber? „Neoliberalismus“ ist schuld. Wie schön.

Es sich einfach einfach machen, das ist im Augenblick hipp in Berlin – ach was, im Augenblick. „Seht auf diese Stadt“ muss man rufen, wenn tatsächlich von GRR im Bund die Rede ist.

Was mich ein bisschen bestürzt, das ist die Ignoranz vor der Geschichte, die auch aus vielen journalistischen Beiträgen spricht.

Und was mir da auffällt, sind wirklich Widersprüche der Genderdebatte in den sprachprägend wirksam sein wollenden Gewerken. Etwa die Linke:

Ein Twitterand hat auch gesammelt:

Bei der taz darf inzwischen ja auch als Kolumnist Erik Peter den Klassenkampf-Gedanken hochalten, hier sein Artikel:

https://taz.de/Berliner-Mietendeckel-gekippt/!5763152/

Schauen wir nur mal auf die Begrifflichkeiten:

  1. Absatz: Bundestagsabgeordneten vs. Mie­te­r*in­nen
  2. Absatz: Abgeordneten Gehilfen vs: immerhin: Ver­mie­te­r*in­nen Mieter*innen
  3. Absatz: Konservativen
  4. Absatz: Immerhin Rich­te­r*in­nen
  5. Absatz: Managern
  6. Absatz: Mieter*innen, Berliner*innen

Schieflage? Aber ja. Zufall: glaube ich nicht.

Immer schön aufmerksam lesen.

P.S.: Angesichts der Historie der Berliner Wohnungsverkäufe (s.o.) musste ich bei diesem Absatz lachen:

Dass sich Berlins Landesregierung unter Drängen der Linken traute, eine kompromisslose Mietpreisbegrenzung zu verabschieden, ist allemal besser, als sich von vornherein der Alternativlosigkeit kapitalistischer Logiken zu unterwerfen. Eine sich als progressiv verstehende Regierung könnte sonst auch gleich freiwillig das Feld räumen und den Neoliberalen überlassen.

ebd.

Die Linke. Yeah.

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