Kommentar
Die FDP und der Steuerzahlerbund: die einstmals wirkmächtige Truppe der Reichen und einer naiven Gefolgschaft, die trotz mittlerem Einkommens glaubt, die beiden Organisationen würden ihre Interessen vertreten – sie verlieren an Einfluss und versuchen dennoch mit den Parolen von gestern weiter zu punkten. Und diejenigen zu veralbern, die glauben, dass es um sie gingen: Haushalte mit mittlerem Einkommen. Die noch nicht verstanden haben, dass es um sie nicht geht. Es geht um die echten Einkommensstarken.
Ihr Lieblingssteckenpferd ist und bleib die „vollständige Abschaffung des Solidarzuschlags„. Ich habe schon erwähnt, dass ich das Anliegen voll unterstütze, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Republik dann zu den Steuersätzen bei Einführung des Solis zurückkehrt. Als er 1991 eingeführt wurde lag der Spitzensatz (Achtung: nicht der zu zahlende Durchschnitts-Satz!) in der Einkommensteuer bei 53 Prozent, bei einem Einkommen ab 61.376 Euro. D.h. für jeden Euro über diesem Betrag wurden diese 53 Prozent fällig. Meinetwegen können wir gerne dahin zurückkehren und den Soli abschaffen. Heute liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent ab einem Einkommen von 57.051 Euro.
Wie die FDP unredlich an der Soli-Abschaffung rumrechnet, das zeigt dieser Artikel bei n-tv.de. #Aufschrei: FDP rechnet Soli-Aus gegen Kinderbonus
In ihrer Rechnung geht die FDP von einer Mittelschicht-Familie mit zwei Vollzeitbeschäftigten (Krankenschwester und Elektromechaniker) sowie einem Kind aus. Bei einem Brutto-Jahreseinkommen von 77.400 Euro erhalte die Familie wegen des Kinderfreibetrags normalerweise am Jahresende mehr als 100 Euro vom Finanzamt zurück. Weil der Kinderbonus damit verrechnet werde, bleibe ihr von diesem Zuschuss nur 200 Euro. Zugleich zahlten die Beispiel-Arbeitnehmer aber 270 Euro Soli im Jahr.
https://www.n-tv.de/politik/FDP-rechnet-Soli-Aus-gegen-Kinderbonus-article21859416.html
Das sei – gemein.
Eine rückwirkende Abschaffung des Solidaritätszuschlags schon für dieses Jahr hätte vielen Familien nach einer Rechnung der FDP-Fraktion mehr gebracht als der geplante Kinderbonus. Durch die Verrechnung mit dem Kinderfreibetrag bei der Steuer profitierten viele Mittelschicht-Familien nur zum Teil von dem Corona-Bonus, erklärte Fraktionsvize Christian Dürr.
ebd.
Wie immer wird natürlich nicht angegeben, wie viele Familien das wohl sein könnten. Man kann das sicher berechnen, wie viel viele sind, das könnte die FDP mal machen, aber ich rechne nicht mit der überwältigen Mehrheit.
Die Tatsache, das einkommensstarke Familien weniger profitieren als einkommensschwache, ist bei dieser Regelung kein Fehler sondern ein Feature. Der Kinderbonus zielt eben genau auf die besonders von der Krise betroffenen einkommensschwächeren Schichten, bei denen der Bonus komplett ankommt, vor allem weil er, im Gegensatz zum Kindergeld, etwa nicht mit Hartz IV verrechnet wird (letzteres ist nach wie vor eine Schweinerei).
Was die FDP in ihrer heulsusigen Solinichtabschaffungstrauer nicht erwähnt, was die Soli-Abschaffung verglichen mit dem Kinderbonus bei einem Doppelverdienerhaushalt ohne Kinder bringt: nämlich satte 880.40 Euro Ersparnis.
Und was die FDP auch nicht erwähnt: den von ihr erwähnten größeren Effekt hätte es auch beim Vorziehen der Teilabschaffung des Solis ab 2021 gegeben, die ja beschlossene Sache ist. Die findet die FDP ja bekanntlich gemein. Um ein Beispiel zu konstruieren, wo selbst nach Soli 2021 noch „brutale Ungerechtigkeit“ herrscht hätte die Partei allerdings so brutale Einnahmeannahmen machen müssen, dass selbst die von Steuersenkungsvisionen beeindruckbare Masse gemerkt hätte, dass sie nicht gemeint ist.
Ich hab mal bei Herrn Dürr nachgefragt, was das für eine Rechnung ist.
Btw. ist witzig: Wenn ich auf seiner Webseite hier klicke:
Lande ich hier
Was für ein Omen.
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