Toter Vogel am StrandPhoto by Angel Santos on Unsplash

Elon Musk hat Twitter gekauft, ins Chaos gestürzt, viele Menschen so: na und? Tatsächlich ist Twitter in der Wahrnehmung vieler ja ein Nischen-Social-Media-Ding (NSMD). In der brandaktuellen ARD/ZDF-Online-Studie benutzten 2022 10 Prozent der deutschsprachigen-Bevölkerung ab 4 Jahre Twitter mindestens einmal wöchentlich. Finde ich jetzt nicht so wenig, und zwar vor allem, weil es in den Vorjahren zwischen 4 (2019/2021) und 5 Prozent (2020) waren. Täglich genutzt sind es 2022 4 Prozent.

T & Me

Ich nutze seit Februar 2009 die Plattform, und das mehrfach täglich. Ich folge 564 Accounts, mir folgen 261. Und: ich habe gerade mal 8.425 Tweets abgesetzt. Das sind 1,6 pro Tag. Ich behaupte mal: die meisten sind Re-Tweets, die Weiterleitung von Tweets anderer.

Als Nachrichtenjunkie konstatiere ich: die meisten der mich wirklich interessierenden Nachrichten bekomme ich in meinem Feed schneller und gezielter als durch jeden Eilmeldungsservice einer Nachrichtenseite. Die nerven vor allem durch EILs, die mich nicht, aber auch gar nicht interessieren. Etwa beim Tod der Queen.

Dafür stoße ich durch Re-Tweets der Acoounts, denen ich Folge, auf Informationsquellen, die ich nie im Blick hätte, und auf Hintergrundinformationen, die sicher sonst schwer oder gar nicht zu finden wären.

Natürlich zeigt mein Feed alle Nachrichten chronologisch an, die verzweifelten Versuche von Twitter mich auf den „Wichtigste zuerst“-Modus einzustellen habe ich alle abgewehrt, irgend wann hat der Dienst aufgegeben.

Betrachte ich nur meinen Feed: es geht zivilisiert zu, es gibt Schwergewichtiges und Amüsantes, viel Nerdiges, und halt vor allem jede Menge Information.

Meine Lieblingstwitterer

Das ist gar nicht so leicht. Ich sollte differenzieren. Und kann das nur an zwei Beispielen deutlich machen, wie spannend das Twitterversum für mich war. Klar: Accounts kamen und gingen, manche werden nicht mehr befüllt, andere haben mich irgendwann genervt und ich habe sie entfolgt.

Ukraine

Da ist Carlo Masala ganz vorne.

Einschätzungen, Informationsquellen, Diskussionen. Und zwischendrin immer wieder ein unterhaltsamer Battle mit u.a. Strack-Zimmermann und Thomas Blanken.

Mikhail Khodorkovsky – klar

https://twitter.com/mbk_center?s=20&t=aKsJfMefL9BCkBbYCCvOwA

Und noch mehr: Fritz Pleitgen, Catherine Belton, Kein Mensch Kein Tier, Marieluise Beck, Mike Martin

Was soll ich von dem Account halten? Weiß es nicht genau.

Maria Pevchikh arbeitetet für die Navalny-Organisation. Bis vor kurzem konnte man sich ihre Tweets übersetzen lassen. Ein 1a Service um Nachrichtenquellen zu folgen, die etwa auch nicht auf englisch vorliegen.

Natürlich folge ich auch Peter R. Neumann, Marina Weisband, Alice Bota, TR Deutsch watch, Johannes Hano, Elmar Theveßen und vielen anderen Journalisten. Und Medienplattformen, ganz vorne der Guardian, VOX und Mother Jones.

Nerdism

Ach, wo soll man anfangen. Bei den Autoren. Etwa John Scalzi. Romane, Landidylle, Cat-Content und mehr

William Gibson ist vor allem ein guter Re-Tweeter – ich habe ihn zeitweise entfolgt weil er nur Werbung für sein Amazon-Projekt „Peripheral“ gemacht hat. Jetzt ist er wieder zurück.

Das gleiche gilt für Jack Womack, der für mich mit „Zufällige Akte sinnloser Gewalt“ immer noch das Buch zum Jahrhundert geschrieben hat.

Aber wenn ich nur ein paar Sekunden oder gar Minuten Spaß haben will, dann sind es

Herrlich absurd:

Ich würde es vermissen!

Vielleicht machen die Beispiele deutlich: ich würde Twitter als sehr vielfältiges, weltweites, für mich wenig Algorithmen-gesteuertes Medium der kurzen Bits und aussagekräftigen Bilder vermissen. Insta ist voll von dämlichen Posts, jedweder Herkunft, daher liebe ich auch

Facebook nutze ich fast ausschließlich um mit Freunden den Kontakt zu halten – die Masse ist nicht auf Twitter, und da würde das auch nicht hinpassen.

Linkedin ist halt ein berufliches Netzwerk was nicht bedeutet dass es ein professionelles ist. Schein, Sein, Egal. Wir sind alle wichtig. Ich auch.

Tiktok – ich mag Videos, aber was soll das?

Es muss ja nicht so schlimm kommen mit Twitter – die Vorteile sind für mich und wohl viele andere auch zu groß, unique.

Mastodon? Ich zitiere mal:

Oder eben „Mastodon“, eine selbstzubastelnde dezentrale Twitter-Alternative. Wer auch gern im Freundeskreis dafür wirbt, wie „wirklich ganz einfach“ sich Linux auf dem eigenen Toaster installieren ließe und welche Vorteile das hätte, wird hier vermutlich glücklich. Mastodon-Erfinder Eugen Rochko sagte kürzlich der Zeitschrift „Time“, dass er intolerante Rede (und „Hassrede“, was immer das genau sein mag) nicht toleriere.

https://www.n-tv.de/politik/Schrecklicher-Verdacht-Ist-Elon-Musk-ein-Idiot-article23712367.html

Der Artikel ist insgesamt wirklich gelungen, daher muss ich vieles wieder mal gar nicht schreiben, und schon der Titel:

ebd.

Grauenhafte digitale Erinnerungen

Ich halte den Untergang von Twitter noch nicht für ausgemachte Sache. Aber ich mag mich täuschen. Dann wird sich Twitter gesellen zu den digitalen Diensten, die ich mochte, genutzt habe, und die kaputtkartätscht wurden vom Zwang zur Disruption, der anscheinend der Digitalwirtschaft inne ist.

Da war mal Foursquare. Der harmlose Spaß, an Locations einzuchecken war witzig, einmal habe ich sogar einen Freund in einem Zug zufällig nach unseren Check-Ins getroffen und die Bahnfahrt war sehr nett. Ich battlete mich mit einem Kollegen, wer denn Mayor des ZDF sei. Und man bewertete Locations, und die Bewertungen von Freunden waren nun mal mehr wert als beliebige andere.

Irgendein Blödmann kam dann auf die Idee, Bewertungen und Check-Ins zu trennen, alle bis dahin gemachten Erfahrungen wurden gecancelt. Ja, kann man machen, war ich dann weg, ich kenne nur noch einen Menschen, der Swarm nutzt. Ich war dann mal weg.

Qype war als Restaurant-Bewertungsdienst auch sehr schön, aus Deutschland und mit vielen Bewertungen. Wurde von Yelp gekauft und versank in der Bedeutungslosigkeit.

Irgendwann habe ich wegen schlecht benutzbar auch Tumbler abgeschafft. Man kann ja nicht überall sein.

Ich würde mir ja eine Plattform wie MeeWee wünschen, die wie Facebook ist, aber durch Bezahlung finanziert wird. Ist aber leider keine(r) da.

Thomas Knüwer hat das Fluide an digitalen Diensten in seinem Beitrag zu einem New York Besuch beschrieben – er betrachtet das als Herausforderung, aber irgendwie bin ich zu alt für den Scheiß, mich alle paar Jahre an andere Plattformen gewöhnen zu müssen. (Natürlich habe ich den Hinweis auf seinen Beitrag aus Twitter).unsplash

Daher ist natürlich dieses WordPress-Blog meine echte Heimat. Die nur ich kontrolliere. Und immerhin das bleibt auch so, egal was das „Genie“ Musk noch anstellt.

Photo by Angel Santos on Unsplash