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Studien sind die Sättigungsbeilage des Journalismus. Kein Tag ohne Studie, Umfrage oder Ähnliches. Manchmal sind diese Studien Käse, manchmal das, was Journalisten daraus machen. Verheerend: in so genannten Sozialen Netzwerken werden „Studienergebnisse“ unglaublich gerne geteilt. Und daher werden immer mehr Studien zu Berichterstattungsanlässen, und es entstehen auch mehr Studien, weil Firmen, Institutionen, NGOs und manchmal auch auf der Suche nach Drittmitteln oder Existenzberechtigung stehende Wissenschaftler immer mehr Studien erstellen.

Ein Ausbruch aus der Spirale der Studienberichterstattung scheint unmöglich.

Heute:


Sagenhaft. Hier der Text der Webseite dazu:

Ein internationales Forscherteam schreibt jetzt im Fachmagazin The Lancet: In den meisten Ländern sind die Grenzwerte zu hoch. Die Wissenschaftler haben in einer Mammutstudie fast 600.000 Menschen aus 19 Ländern über mehrere Jahre begleitet – die Hälfte von ihnen trank Alkohol, die anderen nicht.

Äh, nein, das haben Wissenschaftler nicht getan. Ordentlich verlinkt das Studiendesign. Kurz: die Wissenschaftler beziehen sich auf drei Datenbanken aus 19 „High Income Countries“ und 83 prospective studies und zum Justieren weitere 37 Studien mit 152.000 Teilnehmern. Kurz: es ist eine Meta-Studie. Alles klar, das macht man so, wenn man hohe Fallzahlen haben will. Das ist aber nicht „Wissenschaftler in einer Mammutstudie begleiten“. Die Wissenschaftler werten Datenbanken aus.

Das Ergebnis:

In current drinkers of alcohol in high-income countries, the threshold for lowest risk of all-cause mortality was about 100 g/week.

und

for cardiovascular disease subtypes other than myocardial infarction, there were no clear risk thresholds below which lower alcohol consumption stopped being associated with lower disease risk.

Ich verstehe das als: wer noch weniger trinkt, dem geht es kaum besser.

So, jetzt wird es ganz toll: nach der Meta-Abstraktion der Studie abstrahiert ein „Risikoforscher“ noch mehr, damit es irgendwie toll und griffig wird:

Der Cambridge-Professor David Spiegelhalter, der nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnet die Ergebnisse als beeindruckend. Er rechnet es so vor: Wenn man mehr Alkohol trinkt als 100 Gramm pro Woche, kostet jedes zusätzliche Glas 15 Minuten Lebenszeit.

Was für ein Glas? Bier? Prosecco? Wein? Whisky? Wodka? Stroh Rum?

Wenn ich jetzt einfach so 100 Gläser Wein trinke: sterbe ich davon gleich oder in [Durchschnittslebenszeit – 1.500 Minuten]?

Das ist dann Bullshit auf sehr hohem Niveau. Lässt u.a. unberücksichtigt, ob jemand zwischen 18 und 30 trinkt und danach Abstinenzler wird. Oder, oder, oder.

Studies from Hell. Und: wir werden alle sterben.

 

P.S.: Bei n-tv ist man da genauer als beim hippen Nova-Sender. Danke.

Allerdings lautet das Fazit da:

Michael Roerecke von der University of Toronto, der ebenso wie Rumpf nicht an der Studie beteiligt war, verweist darauf, dass Alkohol viele Gesundheitsgefahren birgt: „Jeglicher Alkoholkonsum ist mit einem Risiko verbunden, und weltweit überwiegt der negative Einfluss bei Weitem.  (…)

Das Motto fast aller dieser Stellungnahmen lautet: bitte sterben sie gesünder. Weltweit.

 

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