Dass die Journalisten bei Tages- und anderen Zeitungen die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunksender und die dort arbeitenden Kollegn irgendwie Scheiße finden, daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Der Ingrimm ist ja durchaus nicht unverständlich, wenn man ständig von seinen Verlegern zu hören bekommt, wie schlecht es der Zeitungsbranche geht, weil die Traumrenditen der letzten Jahrzehnte nicht mehr erreicht werden sondern nur noch überdurchschnittlich gute Renditen, was natürlich zu Personalabbau führen muss. Da ist es ja unfair, dass der ÖR-Rundfunk staatlich alimentiert und per Rundfunkstaatsvertrag abgesegnet finanziert wird. Dass es an diesem Rundfunk viel zu kritisieren gibt, und dass das jede(r) als Quasi-Anteilseigner auch tun kann, und sollte, alles klar.

Gerade die FAZ leistet sich einen ÖR-Bashing-Beauftragten, aber auch der Rest der Redaktion ist auf Verlegerlinie. Und wenn dann die ZEIT ein Interview mit den Intendanten von NDR und ZDF macht, dann ist es ja kein Problem, damit Seiten zu füllen. Und mit kürzestem Artikel ohne Neuigkeitswert plus passendem Kommentar Klicks generieren. Und die Kommentarspalte füllen, denn ähnlich wie das Thema „Euro“ sorgt jeder einzelne Artikel zur Rundfunkabgabe verläßlich für wutschaubende „Volkes Stimme“.

Wenn man dann aber so von dem Wort „Zwang“ besessen ist wie Joachim Jahn, dann wirkt das gerne etwas zwanghaft. Er macht aus keinem Neuigkeitswert zwei Beiträge: den „Artikel“ Fernsehanstalten verschweigen Spitzengehälter und den „Kommentar“ Einblick für Zwangsgeld.

Das ist schon alleine eine journalistische Leistung. Der „Artikel“ beginnt:

Unfassbar: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten finanzieren sich mit Zwangsgebühren. Und trotzdem verraten sie nicht, was ihre Moderatoren verdienen. In eigenen Finanzfragen zeigen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verschwiegen – obwohl sie sich mit Zwangsgebühren finanzieren.

„Unfassbar.“ Das ist wohl das FAZ-Equivalent des BILDschen „Irre!“.

Dass es sich mittlerweile nicht mehr um eine Gebühr handelt, dass ist dem Experten aus dem sonst so pingeligen FAZ-Wirtschaftsteil anscheinend vollkommen egal, und um Präzision geht es ohnehin nicht. Was durch „Unfassbar“ suggeriert wird: hier wird etwas Neues aufgedeckt, das zuvor ja niemand ahnen konnte. Unfassbar.

339 Wörter, 2194 Zeichen, mindestens eine Page-Impression, dazu (bisher) 96 Kommentare, alle von unfassbarer Originalität – da hat es sich doch schon wieder gelohnt, die ZEIT zu lesen. Reicht aber nicht, machen wir noch einen Kommentar draus: 195 Wörter. Wobei man sich fragen mag, ob der erste, „Unfassbar“ Artikel nicht auch schon ein Kommentar gewesen sein könnte, denn beide Beiträge haben nicht nur keine Neuigkeiten zu liefern sondern transportieren auch Meinung.  Aber sei es drum: irgendwie muss man den Tag ja rumkriegen.

Richtig störend wird es aber, wenn man den „Kommentar“ nicht nur zur Kenntnis nimmt sondern liest:

Bei Vorstandsgehältern gilt Transparenz. Was in der Privatwirtschaft der Manager einer Aktiengesellschaft verdient, muss haarklein aufgeschlüsselt und offengelegt werden – inklusive Boni und Altersvorsorge. Richtig so, denn der Aktionär muss all das bezahlen. Datenschutz und Privatsphäre müssen hinter gute Unternehmensführung zurücktreten.
Im Falle der öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern sieht das anders aus. Was ein Moderator verdient oder ein Fußballspiel kostet, soll niemand erfahren, wenn es nach den Intendanten geht. Auch über deren eigene Bezüge weiß man nur dort etwas, wo ein Landtag es vorgeschrieben hat.

Richtig ist mal, dass es den Kritikern unter den Politikern wie etwa Seehofer frei steht, die Bezüge der Intendanten veröffentlichen zu lassen, denn sie vertreten die Eigentümer der ÖR-Sender, nämlich die Bürger. In NRW wurde etwa schon umgesetzt, dass das WDR-Intendantengehalt veröffentlich wird.

Aber in seinen beiden Absätzen vermengt der Wirtschaftsredakteur Joachim Jahn die Bezüge von Vorstandsmitgliedern mit denen von, von mir aus, leitenden oder wichtigen Angestellten. Dazu gelten, auch für unternehmen, ganz andere Transparenzrichtlinien, die keineswegs die Veröffentlichung von Einzelgehältern vorsehen. Studieren kann man das im aktuellen Geschäftsbericht der Deutschen Bank.

Dort werden die Gehälter der wichtigsten Mitarbeiter aufsummiert wiedergegeben:

Wie oben beschrieben, haben wir einen strukturierten und umfassenden Ansatz entwickelt und verfeinert, um regulierte Mitarbeiter gemäß den Anforderungen der InstitutsVergV zu identifizieren. Einzelheiten der kollektiven Vergütungselemente für die Gruppe der regulierten Mitarbeiter sind in der unten stehenden Tabelle zusammengestellt.

So kann man lesen, dass an Abfindungen an 101 Mitarbeiter gezahlt wurden, und zwar in Höhe von 61 Mio. Euro. Wieviel an welchen Mitarbeiter ging? Steht da nicht. 26 Mitarbeiter haben Zahlungen bei der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses (!) erhalten, und zwar in einem Gesamtvolumen von 34 Mio. Euro. Faszinierend, aber:

Die Zahlungen, die anlässlich der Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses gewährt werden, sind zur Wahrung der Vertraulichkeit der Mitarbeiter aufgrund der geringen Anzahl von Leistungsempfängern mit Ausnahme des Bereichs CB&S in aggregierter Form für den Konzern dargestellt.

Also: keineswegs werden die Einkünfte einzelner Mitarbeiter veröffentlicht. Jahn mengt aber in seiner „Argumentation“ Vorstandsmitglieder und „Moderatoren“ zu einem Brei, indem er die Transparenz der Unternehmen so in höchsten Tönen lobt. Geschickt, suggestiv, aber unzulässig. Gerade bei der Deutschen Bank gab es übrigens schon immer eine ganze Reihe von Mitarbeitern, die teilweise deutlich mehr als die Vorstandsmitglieder verdient haben …

Wer übrigens wissen will, wie Transparent und nachvollziehbar die Vorstandsvergütungen der Deutschen Bank beschrieben werden, der kann sich das ja mal reintun. Da wimmelt es von

Die Höhe des Long-Term Performance Award (LTPA) orientiert sich an der Rendite der Deutsche Bank-Aktie (Total Shareholder Return) im Verhältnis zum Durchschnittswert der Aktienrenditen (in Euro gerechnet) einer ausgewählten Vergleichsgruppe von sechs führenden Banken. Das Ergebnis hieraus ist die relative Aktienrendite (Relative Total Shareholder Return (RTSR)). Der LTPA errechnet sich aus dem Mittel des jährlichen RTSR für die drei letzten Geschäftsjahre (Berichtsjahr sowie die beiden vorhergehenden Jahre).

und anderen raffinierten Konstruktionen. Klar ist: ein Jahr im voraus wird niemand sagen können, wie viel Geld die Chefs verdienen werden.

Das Bashing der ÖR-Sender ist inzwischen bei einigen Medien zwanghaft. Das ist jetzt nicht so eine ganz gute Entwicklung.

[Ich arbeite für das ZDF]