Die mediale Aufmerksamkeit, die den Vorgängen um den Limburger Bischoffsitz zuteil wird, sprengt jede Relation von Bedeutung und Schlagzeile. Ich erwarte inzwischen Liveticker aus Rom zu jeder Bewegung von Tebartz-van Elst, und gibt es irgendjemanden, der noch nicht seinen Kommentar zu den imensen Baukosten abgegeben hat? Falls ja, dann werden wir ihn oder sie in den nächsten Tagen auf jeden Fall vor einem Mikrophon sehen. Ich erwarte psychologische Analysen, noch mehr Architekten und Bauingenieure.

Das Rad dreht sich seit Mitte vergangener Woche in einer schwindelerregenden Geschwindigkeit, und so kommt mal wieder kühles Nachdenken, Reflexion, zu kurz. Ist außer Mode geraten.

Dabei haben wir vor nicht allzu langer Zeit die Krokodilstränen von Vielen gesehen, die damals an der Rudeljagd auf Christian Wulff beteiligt waren (Nur so als Beispiel: Jörges). Ich bin bei Wulff zwar nach wie vor der Meinung, dass dieser über nichts anderes als die moralischen Maßstäbe gestürzt ist, die er selbst mal angelegt hat:

„Es ist tragisch, dass Deutschland in dieser schwierigen Zeit keinen unbefangenen Bundespräsidenten hat, der seine Stimme mit Autorität erheben kann. Es handelt sich in Nordrhein-Westfalen offensichtlich um eine Verfilzung mit schwarzen Reise-Kassen jenseits der parlamentarischen Kontrolle. Dies stellt eine Belastung des Amtes und für Johannes Rau dar.“

Christian Wulff im Jahr 2000

Aber dennoch ist dieses mediale „Sich verbeißen“ in einen Vorgang und vor allem in einen Schuldigen jetzt wieder zu beobachten. Und wer selbst nichts zur Sachlage beizutragen hat, der macht halt eine Umfrage. Spätestens die Bilder aus dem Ryanair-Flieger müssten doch beim ein oder anderen Journalisten Bedenken auslösen – wir haben es mit Hilfe von „Bürgerjournalisten“ mit einer, wenn auch nur punktuellen, Totalüberwachung zu tun, die die NSA entzückend müsste. Und das in „Real Life“.

Wundervolle Bildunterschrift in der HuffPo zum Ryanair-Schnappschuss -
Wundervolle Bildunterschrift in der HuffPo zum Ryanair-Schnappschuss. Als ob in dieser Szene und hier im Flieger irgendjemand irgendwen belastet. Aber: Egal.

Und woran muss ich da denken?

An Das Millionenspiel. Der visionäre Fernsehfilm (auf Basis der Kurzgeschichte DER TOD SPIELT MIT von Robert Sheckley) geht allerdings immerhin davon aus, dass es bei der Jagd auf Menschen um ein TV-Format mit einer Gewinnchance für den Gejagten geht. Ganz normale Bürger können mitmachen, indem sie den Kandidaten unterstützen oder indem sie der ihm auflauernden Mörderbande helfen. Heute können sie in Flugzeugen Handybilder machen.

Im aktuellen Millionenspiel gibt es allerdings eine Chance nicht mehr: dass der Kandidat irgend etwas gewinnt.